Vorschlag-Hammer:Breitband-Anti-Idiotikum

Lesezeit: 2 min

Als Pressevertreter wird man nicht selten von Veranstaltern eingeladen, nach dem Auftritt die "Künstler kennenzulernen" - das hat auch so seine Risiken

Von Oliver Hochkeppel

Einen der Vorteile des Journalistenberufs habe ich von Anfang an extensiv ausgenutzt. Als Pressevertreter wird man nämlich von vielen Veranstaltern eingeladen, nach dem Auftritt die "Künstler kennenzulernen". Manche Kollegen meiden das, denn es hat auch seine Risiken. Ist doch eine unvoreingenommene Rezension gar nicht mehr so einfach, wenn sich der großartige Pianist hinterher persönlich als Riesendepp entpuppt. Schlimmer freilich ist es umgekehrt. Über eine liebreizende, kluge Frau, mit der man sich prächtig verstanden hat, schreibt man ungern, dass sie auf der Bühne eine Katastrophe ist.

Ich persönlich rede mir ein, dass ich mich dem journalistischen Ethos stark genug verpflichtet fühle und gut genug zwischen Autor und Werk unterscheiden kann, um objektiv zu bleiben. Und dass man bei diesen Begegnungen erfährt, wie und warum Künstler machen, was sie machen - was oft stimmt. Vor allem aber liebe ich gute Gespräche, und die Chance darauf ist bei Musikern und Kabarettisten eben größer als bei - nein, ich will jetzt keine Berufsgruppe schmähen, das machen schon zu viele Kabarettisten. Und zwar nicht so geschickt wie ein Volker Pispers, der aus anfänglichem Ärzte- oder Lehrer-Bashing schnell eine fundierte Analyse entwickelt, wie schwer und verdienstvoll dieses Jobs sind.

Mit Pispers plauderte ich schon vor vielen Jahren mal, in einer Unterhachinger Kneipe, so lange, bis man uns rausgeschmissen hat. Das war lange vor seinem Durchbruch, der es ihm heute ermöglicht, sich seine Auftritte aussuchen zu können und seine Programme nur noch schlicht "Bis neulich" zu nennen. In seinem Fall, das wurde mir damals schnell klar, musste man Privatperson und Bühnenfigur nicht auseinanderdividieren; beide sind sie ein unprätentiöses, intelligentes und integeres Breitband-Anti-Idiotikum.

Am 1. Oktober kommt Pispers wieder mal in den Circus Krone, und eigentlich würde ich mich auf eine lange überfällige Wiederholung des Gesprächs freuen. Doch trotz Wiesnzeit ist die Konkurrenz groß: Am selben Abend stellt der unvergleichliche anarchistische Fels in der Kabarettbrandung Henning Venske sein nach seiner Biografie benanntes neues Programm "Es war mir ein Vergnügen" in der Lach- und Schießgesellschaft vor.

Und im Lustspielhaus lästert Timo Wopp - gerade erst Gast in der "Anstalt" des Zweiten Deutschen Fernsehens - wieder gewohnt giftig-ironisch über "Moral :- Eine Laune der Kultur" ab. Der Mann hat als ehemaliger Cirque de Soleil-Jongleur und Keynote-Speaker bei Wirtschaftskongressen und ähnlich Unappetitlichem ebenfalls nicht nur auf der Bühne viel zu erzählen. Für mich lindert sich die Qual der Wahl nur, wenn alle drei hinter her Lust auf ein Bier im Vereinsheim haben sollten.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: