Vorschlag-Hammer:Autismus

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Es gibt in diesem Beruf Konstanten. Manche davon schätzt man, wie etwa die Pizza mittags in der Kantine, weil diese von allen dort angebotenen Gerichten am wenigsten der oft irrlichternden Kreativität der hier tätigen Speisenzubereiter unterworfen ist. Daneben jedoch gibt es Dinge, die wieder und wiederkehren, die einen mit Schwermut erfüllen

Von Egbert Tholl

Es gibt in diesem Beruf Konstanten. Manche davon schätzt man, wie etwa die Pizza mittags in der Kantine, weil diese von allen dort angebotenen Gerichten am wenigsten der oft irrlichternden Kreativität der hier tätigen Speisenzubereiter unterworfen ist. Oder auch die täglichen Kämpfe einer in technischen Dingen hinreißend unbegabten Kollegin mit dem Drucker - stets ein Quell der Freude, allein schon deshalb, weil man sich so mit dem eigenen Unvermögen nicht allein fühlt.

Daneben jedoch gibt es Dinge, die wieder und wiederkehren, die einen mit Schwermut erfüllen. Einen Beitrag dazu liefert immer wieder gern die freie Theaterszene in München. Nicht dass in dieser keine lieben, lustigen und kreativen Menschen zugange wären. Nein, es geht um etwas anderes. Um eine bestimmte Form von Autismus. In der kommenden Woche kann man diese am Donnerstag schön studieren. An diesem Tag nämlich gibt es eine Premiere im TamS, eine im Teamtheater, eine im Pathos, eine im I-Camp, eine im Schwere Reiter und schließlich noch ein Gastspiel in der Schauburg. Und alle wollen in die Zeitung hinein, wollen besprochen werden, wollen angekündigt sein. Nun ist aber leider der Platz in so einer Zeitung irgendwann voll, und dann gibt es ja auch noch Kollegen, die andere Sachen außer Theater darin unterbringen wollen.

Da fragt man sich, wieso reden die nicht miteinander? Wieso kann man Premieren nur am Donnerstag machen? Wieso nehmen Theatermacher keine anderen Theatermacher wahr, erwarten aber, dass die Zeitungsmenschen sie wahrnehmen? Und wieso sind sie immer sofort beleidigt, wenn ihre Arbeit keinen Widerhall in der Zeitung findet, so als fände jede Aufführung und jedes Konzert nur wegen der Presse statt? So immens riesig ist die freie Szene in München auch nicht, dass man nicht aneinander vorbei käme. Und weil mich das dann immer aufregt, ist mein erster Reflex: Dann geh' ich halt nirgendwo hin. Oder ich fahr weg, nach Wien zum Beispiel, da wäre, auch am 19. November, die Premiere von Josef Köpplingers Inszenierung von Feydeaus "Der Gockel" - ja, der Gärtnerplatzchef macht auch Sprechtheater. Und jetzt ist schon wieder der Platz voll, und ich habe noch gar keinen Schluss, ach, es ist ein Elend . . .

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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