Vorschlag-Hammer:Auf Augenhöhe

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Ein Stück des Choreografen William Forsythe ist erstmals am Gärtnerplatztheater in der Reithalle zu sehen: "One Flat Thing, Reproduced"

Von Eva-Elisabeth Fischer

Auf Augenhöhe" ist wohl eine der grässlichsten Floskeln politischer Korrektheit. "Auf Augenhöhe" faselt was vom hierarchiefreien Diskurs. Eigentlich aber hat doch immer eine(r) Oberwasser. Die Kommunikation "auf Augenhöhe" fordern immer jene, die ganz genau wissen, dass sie die Arschkarte haben oder tatsächlich noch mächtig an ihrem Aufstieg stricken müssen. Da wir in einer Gesellschaft sogenannter flacher Hierarchien leben, die aber davon lebt, noch in der flachsten Etage immer neue Stufen einzuziehen, ist man schon reichlich damit beschäftigt, seinen Platz zu behaupten.

Ersetzt man die blödsinnige gleichzusetzende Augenhöhe durch die altmodischen Begriffe Achtung oder Respekt, sind die hierarchisch gestaffelten Befugnisse plötzlich schnuppe. Dann kann zum Beispiel große Kunst entstehen, auch wenn es zum Beispiel im Ballett, traditionell eine hierarchische Einheit par excellence, immer einen geben muss, der am Ende zeigt, wo der Hammer hängt. Diesbezügliche Mitbestimmungsmodelle sind in den 68ern ja reihenweise den Bach hinunter gegangen. Und bis heute hat sich nichts daran geändert, dass einer einen Plan haben und die Übersicht behalten muss. So einer ist zum Beispiel der Choreograf William Forsythe, bei dem sowohl im Ballett Frankfurt wie auch in der Forsythe Company alle Tänzer gleich, aber manche eben doch gleicher waren. Forsythe kann dumme Tänzer nicht leiden, deren Vermögen sich aufs korrekte Zählen und die Fähigkeit, geschwind nachzumachen, was man ihnen vormacht, beschränkt. Er mag Leute, die selbst denken und kreativ sind, solche, die als Koautoren seiner Stücke aktiv sind und nicht als willige Erfüllungsgehilfen.

Ein Stück von W illiam Forsythe ist nun erstmals am Gärtnerplatztheater in der Reithalle zu sehen, sein modellhaftes supertolles "One Flat Thing, Reproduced" für 14 Tänzerinnen und Tänzer und 20 Tische. Fürs selbe Programm, überschrieben "Frankfurt Diaries" (20. bis 28.11.), kreiert der ehemalige Forsythe-Tänzer und künstlerisch höchst eigenständige Kopf Antony Rizzi fast ganz unhierarchisch sein Stück "First - Frankfurt Diaries" zusammen mit seinen Tänzern Allison Brown, Georg Reischl, Christopher Roman und Michael Schumacher - auf Absatzhöhe. Rizzi und ich treffen uns übrigens gelegentlich tatsächlich auf Augenhöhe. Denn wir sind fast gleich groß.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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