Vorbericht:Schwanensee im Kloster

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Zurück in der alten Heimat: Abt Notker Wolf an der E-Gitarre. (Foto: dpa)

Wenn in Sankt Ottilien Zirkus ist, tragen sogar die Mönche Tutu

Von Sabine Fischer, Sankt Ottilien

Langsam bewegt sich Pater Timotheus durch die Manege, die Arme ausgestreckt, die Musik im Ohr. Er trägt Tutu. Im Hintergrund läuft Tschaikowskys "Schwanensee". Ein Klassiker - eigentlich. Doch normalerweise hat ein Geistlicher wie Pater Timo mit Ballett nicht soviel am Hut - zumindest nicht, wenn er dabei selbst die Ballerina geben muss. Nur beim "Circus Sankt Ottilien", den das Rhabanus-Maurus-Gymnasiums jedes Jahr auf der Wiese des berühmten Klosters veranstaltet, springt er über seinen Schatten - Tutu hin, Tutu her.

"Die Mönche werden sich in Rollen zeigen, die nichts mit den klassischen Klischees zu tun haben", sagt Andreas Walch. So werden aus den kuttentragenden Ordensmännern während ihres Auftritts in der Manege Rapper, Rockstars oder eben gleich der schwarze Schwan in der hauseigenen Produktion von Tschaikowskys Oper. "In diesem Jahr sind sie in zwei Nummern zu sehen. Der Rest des Programms wird von den Schülern selbst inszeniert", sagt Walch. Auch er tritt gerade nicht in seiner gewohnten Rolle auf. Während er normalerweise nämlich Schüler unterrichtet, ist er nun Pressesprecher des Mammut-Projekts, an dem 550 der insgesamt 700 Schüler des Gymnasiums beteiligt sind.

Und das hat Tradition: Schon seit 24 Jahren verwandelt sich die Klosterwiese einmal im Jahr zum Jahrmarkt der Gaukler und Artisten. Die Kooperation zwischen Schule und Kloster entstand dabei schon ganz zu Beginn. Bis heute stellen die Geistlichen nicht nur das Gelände zur Verfügung, sondern tragen auch das finanzielle Risiko - auch wenn sich die Zirkusveranstaltung inzwischen mehr oder minder selbst trägt. Dafür sorgen neben den fast 50 Zirkusnummern, zu denen unter anderem Inszenierungen eines Traumtheaters, Stelzenakrobatik und Feuerspiele gehören, auch der dazugehörige Jahrmarkt, der ebenfalls von den Schülern organisiert und veranstaltet wird. "Alle Jobs, die rund um ein solches Spektakel anfallen, übernehmen die Gymnasiasten - ob als Parkplatzeinweiser, Ticketverkäufer oder eben Zirkusartist", so Walch. Dass die Kinder dabei Dinge lernen, die so sonst nicht auf dem Lehrplan stehen, sei ein angenehmer Nebeneffekt. Die pädagogischen Ziele gehen allerdings weiter: Mit dem Projekt wolle man nicht nur die Schulgemeinschaft stärken, sondern durch die Alternative zum klassischen Unterricht auch den oft bescheinigten Schulfrust überwinden. "Gerade in Zeiten von G 8 und dem damit verbundenen Leistungsdruck ist das Zirkus-Projekt eine Art Gegenbewegung. Schule einmal ganz anders", so Walch. So richtig bewusst geworden sei ihm das erst im Laufe der Jahre. "Am Anfang stand einfach nur die Spielfreude. Der Spaß daran, gemeinsam etwas zu erschaffen."

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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