Vorbericht:Auf sehr dünnem Eis

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Die Band "Daily Ritual" trotzt dem Überwachungsstaat Singapur

Von Martin Pfnür, München

Das südostasiatische Singapur mag sich durch eine florierende Marktwirtschaft, saubere Straßen, imposante Wolkenkratzer, schicke Shoppingmeilen und einen hohen Lebensstandard auszeichnen - so etwas wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder gar Demonstrationsrecht erlaubt die seit 50 Jahren allein regierende PNP allerdings noch immer nicht.

Stattdessen wird der öffentliche Raum mit einer Effizienz überwacht, die an Orwells Roman "1984" denken lässt, und die konfuzianische Ethik der Partei mit einem Strafsystem durchgesetzt, das geradezu mittelalterlich anmutet. "Singapur is a fine city" lautet ein Sprichwort, das einerseits auf die Schönheit der Stadt und deren geringe Kriminalitätsrate verweist - andererseits aber eben auch auf einen Strafkatalog wie diesen: Wer Kippen und Kaugummis auf der Straße entsorgt, der zahlt. Wer ein Graffiti sprüht oder nachweislich der Lüge überführt wird, muss mit Rohrstockhieben rechnen. Wer politisch aufmuckt, wird eingesperrt. Und wer in Singapur mit einer größeren Menge Betäubungsmittel erwischt wird, dem droht die Todesstrafe.

Nun dienen die meisten dieser Strafen zwar primär der Abschreckung. Dass sich im aseptischen Singapur bereits in den späten Achtzigerjahren eine bis heute existente Subkultur herauszubilden vermochte, wirkt trotzdem sehr erstaunlich.

Es sind vor allem Punkrock-Bands mit Do-it-yourself-Ethos, die hier im Untergrund ihrer Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen Ausdruck verleihen. Dass diese von den Behörden weitestgehend in Ruhe gelassen werden, habe vor allem damit zu tun, dass die Partei sie wohl "nicht mal ansatzweise als ernstzunehmende Bedrohung betrachtet", sagt eine Fanzine-Betreiberin, die trotzdem lieber anonym bleiben möchte.

Auf welch dünnem Eis sich die Szene dann doch zu bewegen scheint, beweist die schwierige Kontaktaufnahme zu Daily Ritual, einer Band, die in ihrer politischen Ausrichtung dem Anarcho-Punk der Achtziger folgt, dessen Ablehnungshaltung gegenüber staatlichen Instanzen auf eine südostasiatische Perspektive ummünzt und ihre ungeschliffenen, hochmelodischen Punkrockstücke mit Songtiteln wie "Desperation In A Police State" oder "Surveillance" ("Überwachung") ausstattet.

"Wir schreiben unsere Stücke aus der Perspektive von politisch Verfolgten, von Opfern der Staatsgewalt", sagt Sänger Izzad im Gespräch mit dem malaysischen Radiosender BFM. "Diese Perspektive abzubilden, scheint uns sinnvoller zu sein als bloßes Dagegen-Ankämpfen."

Viel mehr ist letztlich nicht von dieser hörenswerten und bewundernswert mutigen Band in Erfahrung zu bringen. Ihre E-Mail-Adresse ist längst ungültig, und der Kontakt, der über ihr deutsches Label namens Sabotage Records zustande kommt, mündet nach langem Warten in einem ebenso kurzen wie aussagekräftigen Statement: "Wir müssen das Interview leider absagen, da wir uns nicht ganz wohl dabei fühlen."

Daily Ritual, 27. Juni, 21 Uhr, Sunny Red, Hansastraße 39

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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