Volkstheater:Sagen Sie jetzt nichts

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Eigentlich trägt Paul Behren Bart. Den musste er sich für eine Rolle abrasieren, nur um sich jetzt für wieder einen ankleben zu lassen. (Foto: Gabriela Neeb)

Paul Behren hat als stummer Clown im Kinderzirkus angefangen. Jetzt spielt er seine erste Hauptrolle in "Schuld und Sühne". Eine Begegnung

Von Christiane Lutz

Paul Behren hat's nicht so mit der Sprache. Das ist eine ziemlich ungünstige Voraussetzung für einen Schauspieler, weiß er selbst. Noch dazu für einen, der die Hauptrolle in Christian Stückls Bühnenadaption von "Schuld und Sühne" spielt. An diesem Donnerstag ist Premiere im Volkstheater. Das Dilemma hat schon beim Vorsprechen auf der Schauspielschule angefangen. Viele der anderen Bewerber prahlten herum, dass sie diesen und jenen Monolog der Weltliteratur unbedingt einmal sprechen wollten. Paul Behren hat ihnen zugenickt und gesagt, er wolle einfach spielen. Auf einer Bühne sein. Geschichten erzählen. Dass dafür Worte manchmal unabdingbar sind, empfindet er oft als notwendiges Übel. "Das klassische Sprechtheater", sagt er in einem Café nahe des Volkstheaters, "das ist nicht so meins. Ich vermisse das Wortlose."

Das Wortlose. Das hat Behren in Tübingen gelernt, beim Kinder- und Jugendzirkus Zambaioni. Dort verkaufte er als kleiner Junge zunächst Popcorn, während sein älterer Bruder bei den Vorstellungen mitspielte. Dann fing er als Clown an, als eine Figur, die ganze Konflikte komplett ohne Worte heraufbeschwören und wieder lösen kann. Für Behren eine wunderbare Erfahrung. "Wäre ich nicht an der Schauspielschule angenommen worden, hätte ich mich an der Zirkusschule beworben." Doch er wurde angenommen, in Essen an der Folkwang Universität der Künste. Und davon direkt weg engagiert ans Volkstheater. "Du hast noch viel zu lernen", hatte Intendant Stückl nach seinem Vorsprechen gesagt. "Das hat mich gereizt", sagte er.

Paul Behren ist 24 Jahre alt, Raskolnikow in "Schuld und Sühne" ist seine erste Hauptrolle. Es ist das erste Mal, dass alle plötzlich auf ihn starren, seine Meinung hören wollen, auch Journalisten. Ein wenig verwundert ihn das. Das merkt man daran, dass er während des Gesprächs immer wieder Gegenfragen stellt. Er tut das mit ungekünsteltem, aufrichtigem Interesse. So, als wolle er sein Gegenüber tatsächlich einfach kennenlernen. Das ist herzerfrischend.

Dass er auch spielen kann, hat Paul Behren schon bewiesen, spätestens in der Rolle der bigotten Erna in Abdullah Karacas hochgelobter Produktion "Präsidentinnen". Raskolnikow jedoch ist eine andere Hausnummer, das weiß Behren. Überhaupt ist Christian Stückls Idee, den komplexen Roman für die Bühne adaptieren zu wollen, ziemlich ambitioniert. Er hat eine knapp 50-seitige Fassung destilliert, die ganz nah an der Figur des Raskolnikow bleibt. Jenem bettelarmen Denker, der zwischen "gewöhnlichen" und "außergewöhnlichen" Menschen unterscheidet und den außergewöhnlichen das Recht erteilt, die gewöhnlichen zu ermorden - sollten sie dem Fortschritt im Wege stehen. Übermannt von seinem Gewissen scheitert Raskolnikow nach einem Mord an seinen eigenen Ansprüchen. "Dieses leicht Wahnsinnige an der Figur, das interessiert mich total. Raskolnikow sehnt sich danach, zu handeln. Etwas zu tun, um nicht nur in seinen Gedanken gefangen zu sein", sagt Behren, der sonst nicht so gern über den Roman sprechen will. Er hat ihn nicht fertig gelesen, "noch nicht." Behren sagt, er stehe dazu, dass er noch nicht viel gelesen hat, nicht jeden Regisseur kennt, sich nicht mal für alles interessiert. In der oft so eitlen Theaterwelt ist solch eine Aussage angenehm uneitel. Vielleicht wird er irgendwann sowieso Clown, mal sehen. Und dann muss Paul Behren auch schon los in die Maske, seinen Theaterbart anpassen lassen. Sein oranges Klapprad erinnert an Zirkus.

Schuld und Sühne , Premiere, Donnerstag, 10. Dezember, 19.30 Uhr, Volkstheater, Brienner Straße 50

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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