Verleger Heinz Bauer:Also spricht das Phantom

Lesezeit: 5 min

Hier regiert die Großfamilie: Der äußerst pressescheue Verleger Heinz Bauer gibt ein Interview - keine ganz gewöhnliche Geschichte.

Hans-Jürgen Jakobs

Er hat geredet und tatsächlich ein langes Interview gegeben - jener Hamburger Großverleger, über den es bisher vor allem Anekdoten gab. Wie er einst im VW Käfer heimlich zur BWL-Vorlesung an der Hamburger Uni fuhr, mittels eines Casio-Taschenrechners schnell zu kalkulieren pflegt oder in den Weihnachtsferien zuhause die Abo-Bestellungen der Redaktionen kontrolliert. Einige Monate vor seinem 70. Geburtstag macht sich Heinz Bauer gewissermaßen selbst vorab ein Geburtstagsgeschenk und plaudert im Spiegel über Geschäfte, Gewohnheiten und Gewöhnliches.

Heinz Bauer setzt auf "solides Wirtschaften" - und besetzt wichtige Posten am liebsten mit den eigenen Töchtern. (Foto: Foto: dpa)

Also spricht das Phantom: "Billigheimer ist doch bloß ein Schlagwort, um unseren Erfolg herunterzureden." Oder "Mäzenatentum ist nicht mein Ding." Phasenweise wirkt das Interview, als würde ein Fragenkatalog zur Vorbereitung einer Enthüllungsstory über einen Verlegerclan abgearbeitet - ganz nach dem Motto: "Eine schrecklich nette Familie".

Und, tatsächlich: So hieß eine fertige Spiegel-Geschichte, die am 27. Mai, kurz vor Redaktionsschluss der Pfingst-Ausgabe, aus dem Heft flog. Es soll an diesem Tag ein Telefonat zwischen Bauer-Sprecher Andreas Fritzenkötter und Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo gegeben haben, in dem ein Exklusiv-Interview fixiert wurde. Immerhin befragte die Autorin zusammen mit Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron den chronisch pressescheuen Verleger.

Dem Familienbetrieb des Heinz Bauer macht ein Generationenwechsel zu schaffen. Der Umsatz (2008: 1,79 Milliarden Euro) des Bauer Verlages mit vielen preisgünstigen Unterhaltungsgazetten stagniert, ein unbändiger Spartrieb muss Rendite sichern, und die interne Kultur ändert sich radikal: Der Clan der Bauers mit Verlegersgattin Gudrun, 65, vier Töchtern und einem Schwiegersohn ist überall dabei. Mit Günter Sell, 66, verlässt der letzte Exponent einer starken Managergilde das Haus.

Soviel Familiensinn gibt es bei keinem anderen deutschen Medienriesen. Von den sechs Kindern des Bertelsmann-Patrons Reinhard Mohn ist beispielsweise nur Tochter Brigitte sehr aktiv; Sohn Christoph hat sich nach dem Flop des Online-Portals Lycos Europe beschränken müssen. Bei Axel Springer sind die leibhaftigen Kinder des Verlegers abgefunden, zwei Enkel spielen jene bescheidene Rolle, die ihnen Haupterbin Friede Springer lässt. Und die zwei Kinder des Münchner Bunte-Verlegers Hubert Burda sind für die Verantwortung noch zu jung.

Bei den Bauers ist alles anders. Hier regiert die Großfamilie. Gleich sieben Mitglieder sind in leitenden Funktionen aktiv. Einmal im Jahr zeigt sich die fidele Gemeinschaft: auf der eigenen Gala zur Verleihung der Goldenen Feder. Selbst der knochentrockene Patriarch ist hier vor Tanzattacken seiner Frau nicht sicher. Doch wenn die Musik verklungen ist, heißt es wieder: Schluss mit lustig. Mit aller Macht regiert die Dynastie einen Verlag, der als Weltmeister im Drucken und Drücken gilt, als Discounter unter Deutschlands Pressehäusern. TV Movie, Maxi oder Tina gehören unter den 282 Objekten in 15 Ländern zum besseren Inventar eines Verlages, der in den USA etabliert ist, in Polen feine Geschäfte macht und in Großbritannien stark wächst. Auch eine Tageszeitung ( Magdeburger Volksstimme) gehört dazu.

Vergangene Woche wurde Yvonne Bauer, 32, in die oberste Geschäftsleitung der Bauer Media Group befördert - ein Zeichen für die Vorbereitung des Erbfalls, auch wenn Heinz Bauer erklärt, er wisse nicht, wann er keine Lust mehr habe und wann er nicht mehr fit genug sei. Yvonne Bauer gilt als die härteste der Bauer-Sisters. Sie hat sich aus Sicht des Seniors in der Aufarbeitung einer unappetitlichen Affäre hervorgetan: Eine Drückerkolonne hatte im Zusammenspiel mit Bauer-Vertriebsleuten den Verlag um einige Millionen erleichtert. Das flog vor fast drei Jahren auf und bestärkte den Altverleger in seinem Misstrauen, alle wollten nur sein Bestes: sein Geld. Die Tochter griff durch. Vor Wochen feuerte sie überraschend ihre Assistentin und teilte in einer Mail an einige Geschäftsführer mit, ein solcher Posten sei "aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr haltbar".

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie sich das Töchter-Quartett im Bauer-Verlag schlägt.

Vater Bauer hofft, dass die Verlagsmitarbeiter nun bereit sind, mit Tochter Yvonne zu kommunizieren - und dass "die Familie nicht vom eigenen Unternehmen isoliert wird und abgeschirmt in einer Scheinwelt lebt". Kerstin Artus, Chefin des Konzernbetriebsrats, glaubt nach internen Erzählungen nicht, dass sich das traditionelle Management by Gutsherr durch die jungen Verlegertöchter ändert. Im Spiegel bestätigt Verleger Bauer, die seit einem Vierteljahrhundert im Haus arbeitende Arbeitnehmervertreterin nie empfangen zu haben: "Ich wüsste auch nicht, worüber ich mit ihr ein konstruktives Gespräch führen sollte."

Die Verleger-Familie Bauer bei der Verleihung des Medienpreises "Goldene Feder" in Hamburg: (l-r) Nicola, Gudrun, Miria, Heinz, Yvonne (Foto: Foto: dpa)

In seinem Töchter-Quartett hat Nicola, 36, bereits ebenfalls viel von sich reden gemacht. Die Tugenden des Boulevards bekam sie bei Bild mit, ehe sie im eigenen Verlag vor zwei Jahren Chefredakteurin des eilig unter die Leute gebrachten Klatschmagazins InTouch wurde. Später wechselte sie in gleicher Funktion zum Schwesterblatt Life&Style, das mit Auflagenproblemen kämpft.

Modernes Sklaventum

Bei Life&Style soll es munter zugehen. Im Dezember 2008 wurde das Amt für Arbeitsschutz mit einer anonymen Anzeige konfrontiert, weil in dem Wochenblatt oft bis Mitternacht gearbeitet werde. Deshalb musste der Verlag zwischenzeitlich die Arbeitszeit elektronisch erfassen. Der Betriebsrat hatte gut zu tun. Eine Fotoredakteurin sprach von "Angstregime" und "modernem Sklaventum". Mancher fühlt sich an den alten Branchenspruch erinnert: "Zu Bauer geht man nicht, von Bauer kommt man."

Als Herausgeberin von Life&Style wiederum wirkt Mirja - Bauers Älteste. Die 38-Jährige ist als einzige des Tochterkreises verheiratet. Ihr Mann Sven-Olof Reimers beaufsichtigt das Online-Geschäft des Hauses, das in der Vergangenheit durchaus Erfolge hatte - mit Bewegtbildern zu Sexblättern wie Coupé. Die zweifache Mutter galt lange als Favoritin auf den Verlegerjob, hat sich aber aus dem internen Wettbewerb verabschiedet. Saskia Bauer, der Jüngsten, werden allenfalls noch Außenseiterchancen attestiert; sie absolvierte ein Trainee-Programm und assistiert dem Vater bei Geschäften in Amerika und Westeuropa.

Die Bauer-Frauen treten gerne in der Gruppe auf. Interna aus dem Verlegerleben werden im Familienrat in der elterlichen Villa an der Hamburger Elbchaussee besprochen. Hier führt die temperamentvolle Verlegerin Gudrun Bauer das Wort. Die Matriarchin hält die Familie zusammen. Sie kocht schon mal Rezepte aus den verlagseigenen Blättern nach und bereitete früher Essen für Langstreckenflüge mit dem Firmenjet vor, einer Falcon 900 mit 14 Sitzen, die auf den Cayman Islands gemeldet ist. Im Jahr 2004, zum 125. Geburtstag der Firma, erklärte sie, wie wichtig "Bauchgefühl" sei.

Mag ja sein. Aber Bauchgefühl heißt für andere bei Bauer Magenweh. Reihenweise verschliss das Unternehmen in den letzten Monaten Top-Mitarbeiter, darunter den journalistischen Vorstand Thomas Schneider. Mit dem von Burda gekommenen Boulevardprofi waren große Hoffnungen verbunden gewesen. Es sei eben nicht einfach, Journalisten in ein kaufmännisches Gremium zu integrieren, kommentiert Verleger Bauer, sie würden sich "nicht gern dem Zwang zur ökonomischen Logik unterwerfen".

Leserschwund bei Bauer-Blättern

Zu dieser Logik gehört, dass viele der vertriebslastigen Bauer-Blätter unter Leserschwund leiden. Objekte wie Neue Post oder Das Neue Blatt sind in die Jahre gekommen, ein altes Flaggschiff wie Revue strandete. Geldidee wurde genauso eingestellt wie Matador oder Screenfun, ein Ableger der Bravo, die in einer Dekade 40 Prozent der Auflage eingebüßt hat. Es rächt sich, dass Bauer mit dem Gang in die Qualitätspresse glücklos blieb.

Da bleibt nur das Prinzip Pfennigfuchsen. Neue Mitarbeiter erhalten immer seltener Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Arbeitsverträge für neue Redakteure werden schon mal auf sechs Monate befristet. Insgesamt haben 2008 rund 100 Mitarbeiter ihren Schreibtisch räumen müssen. Verleger Bauer setzt auf "solides Wirtschaften", wie er sagt. Verkaufen wollte der gläubige Protestant nach eigenem Bekunden nie, dann müsse er ja stets darüber nachdenken, ob die Firma heute mehr wert sei als gestern. Da setzte er lieber auf die Töchter. Alle würden beteiligt bleiben, sicher aber nicht mit dem gleichen Anteil. Das ist anders als bei den zwei Schwestern von Heinz Bauer, die 1984 mit einem Mini-Anteil von je zwei Prozent getröstet wurden.

Wie aber kam der Altverleger jetzt zu drei Seiten Spiegel? Um eine unliebsame Geschichte zu verhindern? Sein Sprecher Fritzenkötter verneint dies. Die Idee eines Interviews habe schon vor dem 27. Mai bestanden, vor Pfingsten also. Es sei anlässlich der Inthronisierung von Yvonne Bauer geplant gewesen.

Spiegel-Chefredakteur Mascolo will zu Interna im Detail nichts sagen, nur so viel: "Der Spiegel berichtet, was er für berichtenswert und belegbar hält. Das gilt auch für den Bauer-Verlag. Es gilt also: Warten wir es ab." Egal, wie: Es ist nun dokumentiert, wie Heinz Bauer die Zukunft seiner Kinder einschätzt: "Ein leichtes Erbe treten sie sicherlich nicht an."

© SZ vom 30.06.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: