Vanity Fair in Deutschland:Einmal nur Cowboy sein

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Mit Til Schweiger und Tierchen startet die deutsche "Vanity Fair" - die zuvor aufgeschreckten Zeitschriften-Konkurrenten können sich entspannen.

Hans-Jürgen Jakobs

"Vanity Fair" heißt "Jahrmarkt der Eitelkeit", und auf solchen Rummelplätzen des Lebens darf davon ausgegangen werden, dass jeder auf sein Äußeres achtet. Was aber haben sich die Macher der deutschen Ausgabe des amerikanischen Traditionstitels "Vanity Fair" eigentlich gedacht?

Zum Start präsentieren sie zwei Cover: Eines ist erwartbar in edlem Schwarz mit Goldschrift gehalten. Dann aber, beim Umblättern auf das zweite Titelbild, ist der oberkörpernackte Til Schweiger zu sehen - in Laubenpieper-Pose mit einem Lämmlein. Und stünde da nicht in zehn roten Großbuchstaben "Vanity Fair", der geneigte Betrachter würde es nicht glauben.

"Ich bin gern Trophäe", verkündet der Schauspieler und Single Schweiger auf dem Cover, das wahlweise einem agrarwissenschaftlichen Fachmagazin, einem Krankenkassen-Mitgliederblatt oder vielleicht einer Publikation der Gay-Szene ähnelt. Im Innenteil breiten sich Schweiger-Fotos des bekannten Fotografen Bruce Weber aus, der dem Deutschen erzählt hat, er habe ein "Western-Face". Der "Vanity-Fair"-Coverboy zeigt sich in langer Unterhose und hält den sprudelnden Gartenschlauch neckisch vors Gemächt, er knuddelt die Tierchen und tritt auf, als sei er soeben dem Film "Brokeback Mountain" entsprungen. "Zum Fasching durfte ich nie Cowboy sein, immer nur Indianer", verkündet Til Schweiger exklusiv im neuen Heft. Ja, dann! Er sagt auch etwas zu einem Heroin-Versuch.

Da liegt der Kommentar: "Hättest du nur geschwiegen, man hätte dich für einen Philosophen gehalten", recht nah. Aber Witze mit Namen zu machen, gehört sich bekanntlich nicht. Es darf bezweifelt werden, ob sich "Vanity Fair", das neue Magazin für Deutschland, von diesem Doppelschlag auf dem Titel so schnell erholt. Dabei hatte die Redaktion Monate Zeit gehabt für einen anständigen, starken Beginn.

Liebe Leute, setzt euch wieder

Innen wirkt die neue Wochenzeitschrift geräumig wie der Passagierraum einer Limousine. Sie hat den Look, den man von der amerikanischen "Vanity Fair" oder auch vom längst verblichenen deutschen "Esquire" kennt. "Willkommen", grüßt der Chefredakteur und philosophiert, Deutschland sei "zuversichtlicher, selbstbewusster und weniger neurotisch geworden" - die Republik sei "wieder eine Erfolgsgeschichte, und unser Heft liebt Erfolgsgeschichten".

Manche Liebe aber erfüllt sich, trotz größter Sehnsucht, nicht. Zu den sicherlich besseren Stücken des Neulings gehört eine Reportagereise des Michel Friedman zu braunen Politgrößen, ein Vergleich der "Dreamgirls"-Musikprotagonisten mit dem Vorbild Tamla Motown in Detroit, schöne Fotos von Robert Wilson, ein Besuch bei Georg Baselitz und ein Stück über Niklas Zennström von Skype, der jetzt das Fernsehen im Internet revolutionieren will.

Das bunte Heft hat insgesamt 330 Seiten, ist vollbedruckt mit schönen Anzeigen und liegt insgesamt gut in der Hand. Der haptische Genuss ist okay. Es gibt viele Fotos über Leute zu sehen, die man aus Leute-Magazinen kennt. Der Stil-Teil freilich ist insgesamt doch weniger originell, als man erwartet hätte.

Als exklusiv gilt, dass der Kölner Verlag DuMont Literatur und Kunst vorab die Seiten des Tagebuchs der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja überlassen hat. Eigene Recherchen in Politkowskajas Stil: Fehlanzeige. Den Schlusspunkt der ersten deutschen "Vanity Fair" setzt ein von Tatjana Gsell persönlich ausgefüllter Selbstbeschreibungs-Bogen, auf dem sie ihre ganze Liebe zu Cola light offenbart.

Das mag vielleicht einigen eine Spur zu ´light`sein - die Macher der etablierten Donnerstags-Zeitschriften Stern, Bunte und Gala wird es wohl eher freuen. Manche hatte schon Angst, die Innovation des international erfahrenen Verlags Conde Nast (Vogue, GQ, Wired) könnte den Markt richtig durcheinanderwirbeln. Liebe Leute, setzt euch wieder. Alles halb so schlimm! Ein Durchbruch in der deutschen Presselandschaft ist unwahrscheinlich.

Aber wie witzelt Til Schweiger in seinem Interview so schön zur Frage, ob er wieder mit seiner Frau Dana zusammenkomme: "Vielleicht ist die Erde ja auch eine Scheibe."

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