USA: Streik der Drehbuchautoren:Wenn die Showmaschine streikt

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Amerikas Drehbuchschreiber legen die Unterhaltungsindustrie lahm - und Stars wie Robin Williams unterstützen sie dabei.

Jörg Häntzschel

Erst fünf Tage sind die amerikanischen Drehbuchautoren im Streik. Doch die Folgen für die Unterhaltungsindustrie sind schon jetzt sehr viel schwerwiegender, als viele in den USA erwartet hatten. Die täglichen Late-Night-Talkshows mussten als erste reagieren. Acht der Shows begannen schon am Montagabend damit, nur noch Wiederholungen zu zeigen. Demnächst werden auch einige der erfolgreichsten amerikanischen Fernsehserien eingestellt, von denen viele ebenfalls in Deutschland ausgestrahlt werden.

Schauspieler Robin Williams bei einem Protestmarsch der Drehbuchautoren in New York am Donnerstag, dem 9. November 2007. (Foto: Foto: AP)

Die Vorstadtsatire "Desperate Housewives", das Krankenhausdrama "Grey's Anatomy" und die Angestellten-Sitcom "The Office" haben bereits ihre Produktion gestoppt und werden in zwei bis drei Wochen ihre letzten Folgen ausstrahlen. Die Anti-Terror-Serie "24" hat den Sendestart ihrer noch nicht fertig gedrehten siebten Staffel auf die Zeit nach dem Streik verschoben, um die Fans nicht mit monatelanger Ungewissheit über den Ausgang der Geschichten zu quälen. Etliche andere Serien werden folgen. Ersetzt werden sie notdürftig mit Sport, Quizsendungen und Reality-Shows, deren Autoren nicht der Gewerkschaft angehören.

Als die Drehbuchschreiber vor 19 Jahren zum letzten Mal streikten, waren sie fünf Monate lang im Ausstand. Diesmal jedoch, wo es weniger um die Bezahlung als um ihre Rolle in einer sich rapide verändernden Industrie geht, rechnen viele mit einem sehr viel längeren Streik - und mit unüberschaubaren Folgen für die gesamte Branche.

Zu Beginn des Streiks hatten sich noch viele über den Aufstand der Drehbuchautoren, der ewigen Underdogs der Filmindustrie, lustig gemacht. Doch in den vergangenen Tagen schlug die Stimmung in Amerika um. Ein Grund dafür waren auch die Solidaritätsbekundungen von weltbekannten Schauspielern. Die Stars mischten sich unter die Streikposten. Sie taten das vor Dutzenden Senderzentralen, Produktionsfirmen und Studios in Hollywood und New York, wo die Drehbuchautoren sich zur "Picket Line" aufgestellt hatten, jenem Spalier, an dem Streikbrecher nur unter Schmährufen vorbeikommen.

Vor dem "Time Warner Center" am New Yorker Columbus Circle hatten sich am Donnerstag die Schauspieler Tim Robbins und David Duchovny zu den Streikenden gesellt, Julianne Moore war da und der "Sopranos"-Erfinder David Chase. Robin Williams brachte frische Bagel für die Drehbuchschreiber. Jay Leno aß Donuts mit ihnen. Tausende Unterstützer des Ausstands wollen zu einer Demonstration auf das Gelände der berühmten "20th Century Fox"-Filmstudios in Beverly Hills kommen.

In dem Konflikt zwischen der Writers Guild of America, der rund 12 000 Autoren angehören, und den Arbeitgebern der Alliance of Motion Picture and Television Producers geht es um Rentenzahlungen, um Krankenversicherungszuschüsse und sogar um die Forderung der Drehbuchautoren nach einem Anspruch auf First-Class-Tickets bei Flugreisen.

Doch der Kern der Auseinandersetzung betrifft die neuen Vertriebswege der Fernseh- und Kinoindustrie. Die Autoren fordern nicht nur eine höhere Beteiligung an den Gewinnen aus DVD-Verkäufen, sie wollen an den Profiten partizipieren, die die Studios mit ihren Filmen oder Fernsehshows im Internet machen. Und auch dann, wenn sie diese als Downloads für Handys oder iPods anbieten.

Deeskalation sieht anders aus

Die Studios ihrerseits klagen über sinkende Einnahmen an den Kinokassen, schwächelnde DVD-Umsätze und Verluste durch die Internet-Piraterie. Sie argumentieren, die Online-Vertriebsmodelle steckten noch in den Anfängen und seien weit davon entfernt, profitabel zu sein. Für viele Shows, die als kostenloser Videostream im Internet zu sehen sind, wollen die Studios den Autoren gar kein Honorar bezahlen. Der Schauspieler Robin Williams sagte dazu bei einer der Streikaktionen in New York: "Es heißt, im Internet sei kein Geld zu machen. Das ist ein großer Schwindel."

Die Hartnäckigkeit der Autoren ist leicht zu erklären. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht. 1985 wurde mit der Videokassette ebenfalls ein neues Medium populär, das den Produzenten zusätzliche Umsätze mit dem vorhandenen Material eröffnete. Wie heute verwiesen sie auch damals auf die ungewissen Aussichten dieses Marktes. Die Autoren gaben sich mit einer Tantieme von mickrigen 0,3 Prozent des Verkaufspreises zufrieden. Betrachtet man die Entwicklung der Einkünfte von Produzenten und Autoren, sind Letztere im Nachteil. Seit 1982 hat sich der Profit der Studios mehr als verachtfacht. Die Einkünfte der Autoren sind nach Angaben der Gewerkschaft um das Sechsfache gestiegen.

Mit dem bisherigen Verlauf ihres Streiks sind die Autoren sehr zufrieden. Doch er hat fatale Folgen für viele ihrer Kollegen. Zehntausende Menschen werden vor allem in Los Angeles in den nächsten Wochen ihre Jobs verlieren, wenn der Streik andauert und eine Produktion nach der anderen gestoppt wird. Kompliziert ist die Lage vor allem für die Drehbuchautoren, die als "show runners" zugleich die Produktion der von ihnen geschaffenen Serien leiten.

Einige von ihnen legten mit den Autoren die Arbeit nieder und machten damit die Hoffnung der Studios zunichte, noch einige Wochen weiterproduzieren zu können. Zwei der Show-Produzenten wurden deshalb am Donnerstag von ihren Studios des Vertragsbruchs bezichtigt. Deeskalation sieht anders aus. Und das amerikanische Showbusiness wird wohl so schnell nicht zu seiner alten Form zurückfinden.

© SZ v. 10./11.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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