Unterfahrt:Frei wie ein Vogel

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Die Sängerin und Bassistin Meshell Ndegeocello

Von Oliver Hochkeppel, München

Blieb die Frage, was das nun gewesen ist, dieser Auftritt von Meshell Ndegeocello und ihrer Band in der Unterfahrt. Nichts für die Jazz- und Stilpuristen, aber das war ja von vornherein klar. Die 48-jährige Bassistin, Sängerin und Komponistin, in der Washingtoner Go-Go- und Neo-Soul-Szene aufgewachsen, hat sich noch nie um die gängigen Kategorien geschert (schon ihr Künstlername bedeutet "frei wie ein Vogel" auf Suaheli), sondern stets auf das gehört, was ihr Herz und Hirn als musikalische Aufgabe einflüsterten. Manch einer im Saal wollte da einen dominanten Einfluss erkannt haben, objektiv betrachtet war die musikalische Gemengelage zu bunt, um an eine starke einzelne Stimme zu glauben.

Es fing schon mit einem Knalleffekt an, einem kanonenschlagartigen Auftakt-Beat, der dann aber doch nur das eher verschleppte, gitarrenlastige "Friends" des Rap-Veteranen Whodini einleitete. Es ging danach querbeet durch die eigene Geschichte, mit Songs vom 1999er-Album "Bitter" wie "Wasted Time", vom elektronisch wildesten "Cookie: The Anthropological Mixtape" aus dem Jahr 2002 oder dem kunterbunten "Weather" ("Crazy And Wild") von 2011. Das "Don't Let Me Be Mis-understood" vom Nina-Simone-Tribute-Album anno 2012 fehlte ebenso wenig wie Beiträge vom bislang letzten, 2014 erschienenen Werk "Come, Come to Me". Stets definierte ein anderes Element den Charakter der Stücke: mal ein verschleppter Ska-Rhythmus vom Drummer Abraham Rounds, mal die jaulende Gitarre von Christopher Bruce, mal psychedelische Keyboard- und Synthi-Flächen vom Tastenmann Jebin Bruni, dann der zwischen Sprechgesang (für Hip-Hop war das eher zu langsam) und anmutiger Singer/ Songwriter-Stimme changierende Gesang der Zeremonienmeisterin selbst. Leider eher selten der kernige, mühelos ins Laufen gebrachte Bass, mit dem sie berühmt wurde.

Nimmt man die offensichtlich vom in ein paar Monaten erscheinenden neuen Album stammende Nummer, die Ndegeocello als Ausdruck ihrer aktuellen Stimmung ankündigte, dann ist diese "very strange". Was sich immerhin mit dem eher melancholischen, nicht mehr so wütenden Gesamteindruck deckt. So war am Ende des wie auf der Rock-Bühne ohne Pause durchgespielten Konzerts wahrscheinlich für jeden was dabei. Andererseits war allerhöchstens Ndegeocello selbst auch mit allem zufrieden.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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