Unesco-Weltkulturerbe: Dresden:Der Anfang vom Ende

Lesezeit: 5 min

Die Unesco setzt ein Ultimatum: Wenn der Bau der Waldschlösschenbrücke nicht gestoppt wird, verliert Dresden den Welterbe-Status. Kann man eine Katastrophe vertagen?

Gottfried Knapp

Die Welterbekommission der Unesco hat auf ihrer Tagung im kanadischen Quebec ihre alte Drohung, das Elbtal in Dresden wegen des begonnenen Brückenbaus von der Liste der Welterbestätten zu streichen, nicht wahrgemacht, doch die Frist, die sie der Stadt eingeräumt hat, ist kurz und die Bedingung, an die sie ihre Entscheidung geknüpft hat, eindeutig: Wenn der Bau der Waldschlösschenbrücke im Naturschutzgebiet der Elbauen nicht sofort eingestellt und der vorige Zustand der Landschaft wiederhergestellt wird, geschieht in einem Jahr das unsagbar Peinliche, dann vollzieht die Unesco-Kommission den einstimmig gefassten Beschluss und kickt die sächsische Landeshauptstadt aus dem Verband der bedeutendsten Kultur- und Natur-Monumente der Welt hinaus, in den sie nur hineinkam, weil sie ihre Bewerbung nicht mit historischen Bauten motiviert hat, sondern mit erhaltenen Landschaftsformen in der Stadt, also genau mit jenem Bereich, den sie jetzt zerstören will.

Ein Jahr Aufschub, doch Dresden muss weiter um den Status als Weltkulturerbe bangen. (Foto: Foto: ddp)

Politische Tricks

Nur wenn sich die Stadt für die alternative Tunnellösung entscheiden würde, könnte die Welterbe-Kommission einer Querung der Elbe im geschützten Bereich zustimmen. Doch wer beobachtet hat, mit welchen Tricks die politischen Protagonisten in den letzten Wochen eine Volksbefragung zu diesem Thema verhindert haben, der kann sich ein Einlenken in diese Richtung kaum vorstellen.

Warum die Unesco-Kommission nicht schon jetzt, da die Stadt in flagranti erwischt worden ist, den Ausschluss Dresdens aus der Kulturgemeinschaft beschlossen hat, lässt sich nur mit dem Ansehen erklären, das die Vertreter des Denkmalschutz-Musterlands Deutschland in den Gremien immer noch genießen. Außerdem wollte man den Gegnern der Brücke, die nicht müde werden zu protestieren, eine weitere Chance geben.

Für die Betreiber des Brückenbaus ist der abermalige Aufschub kein Grund zum Triumphieren, sondern eher ein Ärgernis. Die heftigen Reaktionen auf das neue Zeitlimit zeigen, dass man nervös geworden ist, die Brückenbaupläne aber umso trotziger durchsetzen will.

Wäre der Stadt schon jetzt der Welterbetitel abgesprochen worden, könnten sich die Brückenbauer wenigstens als Märtyrer gerieren und die Unesco als Gegner bloßstellen. Vor allem aber: Dann könnten sie endlich den totalen Sieg feiern über ihre Gegner, die hufeisennasigen Feingeister, die Naturschützer und Nobelpreisträger, die Künstler, Theologen, Architekten und Historiker.

Präzedenzfall

Dass die Aberkennung des Welterbestatus aber nicht nur die Beschädigung des Elbtals beschleunigen, sondern auch im Kulturbewusstsein der Stadt, des Landes, ja Deutschlands Schäden anrichten wird, scheinen die verbissenen Vorkämpfer des Brückenbaus bislang kaum bedacht zu haben. Sollte im nächsten Jahr Dresden wirklich vom Olymp der internationalen Staatengemeinschaft verstoßen werden, belädt sich Deutschland mit einem kulturellen Makel, der nur schwer zu tilgen sein wird.

Erst ein einziges Mal in ihrer Geschichte hat sich die Unesco zur Aberkennung eines Welterbetitels gezwungen gesehen. Zwar stehen derzeit 30 von den insgesamt 851 Welt-Kulturdenkmalen auf der Roten Liste der "besonders gefährdeten" Stätten, doch nur im Wüstenstaat Oman haben die Kommissare bislang durchgreifen müssen. Im Jahr 2007 wurde das Wildschutzgebiet für die Oryx-Antilope von der Unesco-Liste gestrichen, weil durch rabiate Landnahmen der Bestand an Tieren von 450 auf 65 geschrumpft ist.

Ob in Dresdens Elbauen nach dem Gemetzel an den stattlichen Alleebäumen und nach dem Errichten der ersten Betonfundamente überhaupt noch 65 Exemplare der bedrohten Fledermausart Hufeisennase überlebt haben, ist ungewiss. Doch sollen hier nicht Antilopen gegen Fledermäuse aufgerechnet werden. Die Naturkatastrophe im Elbtal wird sehr viel offensichtlicher zutage treten, als Tierschützer dies je nachweisen können.

Mit der vom Elbhochufer herunter über die Auen und den Fluss hinwegstelzenden Autobahnbrücke wird der motorisierte Verkehr in Dresden die Kanzel finden, von der herab er die Stadt akustisch effektvoll mit Lärm beschallen kann. Überall in Deutschland werden derzeit Lärmschutzwände entlang von Autobahnen errichtet.

In Dresden aber hebt man eine autobahnbreite Straße so in den Himmel, dass die Stadt kräftig etwas davon abbekommt. Sucht man in Deutschland nach etwas Vergleichbarem, fällt einem Berlin ein, wo nach der Wende ein ähnliches Verkehrsproblem aufgetaucht ist; doch dort wurde die neue Nord-Süd-Achse nicht auf Stelzen über das Gartendenkmal Tiergarten hinweg-, sondern im Tunnel unter ihm hindurchgeführt.

Ein blaues Wunder

Gegen schöne Brücken am rechten Ort ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Dresden kann ja auf zwei der schönsten und bestplatzierten Brücken Deutschlands stolz sein: auf die Augustusbrücke zwischen Alt- und Neustadt und die malerische Eisenkonstruktion des "Blauen Wunders" zwischen Blasewitz und Loschwitz. Diese beiden Brücken mit ihren jeweils dicht umbauten Kopfenden führen geradezu exemplarisch vor, wie Brücken die Stadtlandschaft bereichern.

Auch im freien Gelände können Brücken sehr reizvoll sein, doch wenn man im Herzen einer Großstadt einen in sich abgekapselten Grünbereich in der Mitte durch eine hochgestemmte Autobahn zerschneidet, fällt die grüne Lunge in sich zusammen, der vormals geschützte Bereich wird Teil des städtischen Wegenetzes und gerät als angenagtes Stück ins Blickfeld der Spekulanten. Sollten nach dem Bau der Waldschlösschenbrücke also die bislang verschonten Partien der Elbhänge bebaut werden, braucht sich niemand zu wundern.

Dass die betroffenen Wohngebiete durch die neue Schnellverbindung über die Elbe wirkungsvoll entlastet würden, darf bezweifelt werden, denn die Brücke zieht eine Menge zusätzlichen Verkehr an, der an den Enden verteilt werden muss.

Verlorene Lebensqualität

Unten in den Auen jedenfalls, im Wohngebiet Striesen, wo mit den prächtigen Alleebäumen schon ein Stück Lebensqualität vernichtet worden ist, werden die herbeigelockten Autokolonnen ein Chaos verursachen, denn das neue Autobahnstück wird hier im Zickzack über alte Vorort-Wohnstraßen weitergeführt.

Übrigens: Auch der als Alternative zur Brücke vorgeschlagene Tunnel unter der Elbe hätte mit denselben Problemen zu kämpfen. Doch die Kulturlandschaft des Tals würde durch ihn kaum behelligt werden. Die langgezogene Kurve des Flusses mit den Weinbergen und dem Kranz von Villen auf dem begleitenden Hügelsaum könnte bei Spaziergängen weiterhin in ganzer Schönheit erlebt werden. Wenn aber erst einmal die Brücke über die Elbauen stampft, schrumpft der weite Talraum auf ein kurzes Davor und ein unbestimmtes Dahinter zusammen.

Der kulturpolitische Schaden, der durch die Abqualifizierung des Elbtals angerichtet würde, ist immens. Nicht nur, dass die Stadt Dresden, die mit dem Wiederaufbau ihrer großartigen Kulturmonumente die Welt zum Staunen gebracht hat, in der infernalischen Gemeinschaft mit den Antilopen-Killern von Oman dem Gespött der Welt anheimfallen würde, auch der Freistaat Sachsen würde viel von seinem kulturellen Ansehen verlieren.

Dresdner Sündenfall

Wenn man dann gar noch hört, dass führende Politiker dieses Landes vor kurzem auch den Plan, die Sächsische Schweiz in das Rennen um den Welterbetitel zu schicken, torpediert haben, dann müsste man das Land Sachsen eigentlich kulturell für unmündig erklären, doch würde man dann jenen Bürgern, die sich leidenschaftlich gegen die planerischen Machenschaften zur Wehr gesetzt haben, heftig Unrecht tun.

Die Aberkennung des Welterbetitels wird auch andere deutsche Kulturdenkmale in ein schiefes Licht setzen. Schon mehrfach sind deutsche Welterbestätten wegen maßloser Bauplanungen auf die Rote Liste geraten, doch mit planerischen Kompromissen haben die betroffenen Städte das Unheil abwenden können.

Nach dem Dresdner Sündenfall werden die deutschen Stätten noch strenger kontrolliert werden. Das Mittlere Rheintal, wo eine Straßenbrücke in Sichtweite der Loreley im Gespräch ist, und die Hansestädte Wismar und Stralsund, die mit Großplanungen im geschützten Altstadtbereich konfrontiert sind, können sich jedenfalls schon mal auf härtere Zeiten vorbereiten.

© SZ vom 05.07.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: