Über den Einfluss von Arztserien:Da is' was, Doc!

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Die Angst vor Operationen geht um, weil Halbgötter im TV so schwer schuften, sagt eine Studie. Oder würden Sie sich bei Dr. House unters Messer legen?

Bernd Graff

Eines der Denkmuster, das sich am hartnäckigsten in unseren zivilisationsdegenerierten Hirnen festgefressen hat, ist die Annahme, dass in den westlichen Kulturkreisen kein Platz mehr sei für Tod und Krankheit. Strategien der Mode, der Kosmetik, des Wahns, Strategien also der Verdrängung propagierten eine ewige und ewig unantastbare Jugend, in der menschliche Körper nur als faserfrische faltenfreie Außenhäute erschienen, die kein Innen, kein Siechen und kein Altern kennen. Das eine wie das andere ist natürlich Blödsinn.

Ob bei Dr. House und seinem Kompetenz-Team ... (Foto: Foto: RTL)

Weder bleiben Menschen-Körper immer taufrisch, hier kommt eben - um es einmal salopp zu sagen - keiner heil raus. Noch haben wir Krankheit und Tod aus unseren Kulturen verdrängt. Wir haben sie nur verschoben.

Tupfer - ich schwitze!

Ins Fernsehen verschoben: Dort wird allabendlich zur besten Sendezeit gesiecht, geflickt, gestorben, dass es eine Art hat. Dr. House diagnostiziert, während er lästert, und McDreamy aus Grey's Anatomy schaut anscheinend jedem Erdenbürger mindestens einmal ins offen gelegte Hirn. Es gibt momentan so viel Blut und Gedärm auf unseren Fernsehschirmen wie in gut geführten Schlachthöfen. Das Organ, das noch nicht auf links ins Scheinwerferlicht gedreht wurde, müsste die Evolution erst noch entwickeln. Wir, die Zuschauer, sind immer nah dran, wir wissen genug - und bekommen es mit der Angst.

Das, unter anderem, ist das Ergebnis einer Studie, die am Helios-Klinikum im hessischen Hünfeld durchgeführt wurde. Der Chirurg Kai Witzel und sein Team hanen 162 Patienten (95 weibliche, 67 männliche) im Alter von 18 und 92 Jahren nach ihrer Angst vor der bevorstehenden Operation und ihrem Arztserien-TV-Konsum befragt. Die Probanden, um es von der Leber weg zu sagen, waren umso ängstlicher, je mehr Arztserien sie schauten. Dafür aber fand die Studie heraus, dass die verängstigten Ärzte-Vielseher sich in ihren Ängsten besser in den Krankenhäusern betreut fühlten.

Und jetzt die Diskussion: Witzel meint, dass in der Dramaturgie von Arztserien kein Platz sei für "langweilige Routinetätigkeit". Stattdessen gebe es "seltene Realitäten wie intraoperative Komplikationen" zuhauf, lebensbedrohliche Situationen würden in letzter Sekunde beherrscht, "und dem Operateur wird der Schweiß von der Stirn getupft".

Es ist die Gallenblässe

Weil jedoch kaum ein Patient tatsächlich das Innere eines Operationssaals, nur das Innere einer Arztpraxis kenne, mischten sich mediale Wirklichkeit mit eigener Erfahrung, werde die "Primärerfahrung durch das wirkliche Leben zunehmend durch mediale Erfahrungen ersetzt". So entstehe der Eindruck, Komplikationen seien an der Tagesordnung, "was zu einer Steigerung des Angstniveaus führt". Das aber werde "eben durch diese Traumweltfaktoren dann auch besser verarbeitet", weshalb sich die ängstlichen Menschen oft besser umsorgt fühlten als sie vielleicht tatsächlich würden. Tupfer bitte, Klemme. Zumachen!

Übrigens schreibt die Studie, dass ihre prae-operativen Probanden eine Entfernung der "Gallenblassen" erwarteten. Dass Ärzte-TV-Konsum auch innere Organe erschrecke und blass werden ließe, ist jedoch noch nicht bewiesen. Dr. Grey, Ihr Patient!

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