Twitternde Babys:Er kann schon Blog sagen

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Twittern aus dem Uterus: Dank eines Babyphones für Ungeborene pflegen Babys jetzt schon im Mutterleib rege Kommunikation mit der Außenwelt.

Isabelle Rupprecht

Die Mikroblog-Plattform Twitter ist ein Pool für kuriose Meldungen und immer wieder für eine PR-Kampagne gut. Ashton Kutcher, Lindsay Lohan und Lily Allen sind nicht die Ersten, die als prominente Vorzeigetwitterer im Netz ihren Mitteilungsbedarf stillen und mit wirren bis obszönen Nachrichten ihre momentane "Gesamtsituation" beschreiben.

Von der Technik erleuchtet: Corey Menscher, seine Frau Ellen und ihr Mikroblogging-Star. (Foto: Foto: David Steel Overholt)

Man sollte am besten nichts von dem glauben, was dort geschrieben wird. Denn unausgereifter kann eine Information eigentlich nicht mehr sein, wenn sie unter Umständen von einem Fötus aus dem Bauch der Mutter stammt. Ja, jetzt könnte es sogar Meldungen geben wie: "Blöd, hatte gerade kein Netz wegen des Ultraschalls!"

Die Schwangerschaft, einst die intimste Phase in der Mutter-Kind-Beziehung, wird jetzt zur globalen Konferenz. Dank Corey Menscher, einem amerikanischen Webentwickler, der gerade an der New York University sein Masterstudium absolviert, bleibt die Mutter nun nicht mehr die privilegierte Person, wenn es um die Kommunikation mit dem noch ungeborenen Kind geht. Menscher, selbst kürzlich Vater geworden, entwickelte im Rahmen eines Forschungsprojekts den sogenannten Kickbee, eine Art Babyphone für Ungeborene.

Auf technischen Umwegen wird der Vater des Kindes per SMS informiert, sobald sein Sprössling sich rührt. Der Bauch der Mutter wird dafür mit einem verdrahteten Gürtel umhüllt, der mit Drucksensoren die Bewegungen des Kindes misst. Die Daten werden dann über Bluetooth an den Computer der Mutter oder ihr Handy geschickt. Dort werden sie von einer speziellen Software analysiert, welche die Informationen dann an den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter.com schickt.

Mit den Baby-News wird nach dem üblichen Twitter-, das heißt "Zwitscher"-Prinzip verfahren: Die Nachrichten, im Normalfall handelt es sich um maximal 140 Zeichen, die über ein Handy in das Portal gelangen, werden in Form eines Blogs im Internet veröffentlicht. Die Follower, Menschen, die diesen Blog abonnieren, bekommen dann per SMS oder E-Mail die neuesten Meldungen zugeschickt. Abonnent muss also nicht zwingend der Vater sein, auch Freunde und Verwandte können an den Regungen und Bewegungen des Kindes teilhaben.

Und was zwitschern die Babys so? Eigentlich immer das Gleiche: "I kicked Mommy at 10:13 PM on Thu, Dec 30!", ein sich wiederholender Wortlaut mit ständig aktualisiertem Datum - viel Aufwand für wenig informative Botschaften. Das könnten auch die Spatzen von den Dächern zwitschern: Ein Baby bewegt sich eben.

Eine glorreiche technische Errungenschaft zur Umdefinierung der Rollenverteilung bei der Kindererziehung ist der Kickbee wohl nicht. Und ob die Vater-Kind-Beziehung dadurch wirklich gestärkt wird, ist fraglich - zumal der Nachwuchs zu einem Tamagotchi stilisiert wird. Doch für das Baby ist es der perfekte Einstieg in eine "verkommunikationierte" Welt.

Der kleine Tyler Aaron Menscher jedenfalls hat das Licht der Welt am 18. Januar 2009 erblickt und ist dem Mikrobloggen noch lang nicht entwachsen. Mit seinen zehn Wochen ist er fast schon ein alter Hase im Twitterland. Die Nachrichten in seinem Mikroblog @minimensch kann er zwar noch nicht selbst in die Welt hinausschicken, aber mit etwas Hilfe von seinem Papa ist seine Umwelt auch weiterhin bestens darüber informiert, ob der Brei schmeckt oder die Windel voll ist.

Und Menscher junior gibt sich dabei schon sehr abgebrüht: "Mein neuestes Talent? Speichelblasen machen. Da stehen die Frauen drauf." Genau so stellt man sich das vor. Aber recht viel mehr haben Lily Allen und Co. meist auch nicht zu bieten.

An speziell auf die Baby-Lebensphase zugeschnittenen Anwendungen wird, wie Corey Menschers Studien zeigen, bereits gearbeitet. Durchaus möglich, dass sich hier bald ein neuer Markt erschließt - fehlt nur noch der Sensor für die Senioren. Wer früh anfängt, will sein iPhone, mit dem man hoffentlich bald den Badewannenlift steuern kann, auch so spät wie möglich abgeben.

Der Kickbee wurde zwar schon der Öffentlichkeit vorgestellt, ist aber noch nicht käuflich zu erwerben. Auf den Markt bringen will Menscher seine Erfindung erst, wenn er sein Studium abgeschlossen hat. Wie seine Mikroblogger befindet sich auch der große Junge noch in der Entwicklung.

Weitere Informationen auf http://portfolio.menscher.com/itp/kickbee.

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