TV-Kritik: "Pilawas großes Geschichts-Quiz":Die Erfindung der Sojawurst

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Fernsehunterhaltung 2007 n. Chr.: Jörg Pilawa streifte mit einem Häuflein Halbprominenter durch die Weltgeschichte. Und Reiner Calmund bedankte sich noch mal bei Konrad Adenauer dafür, dass er nicht verhungern muss.

Christian Kortmann

Jetzt also Geschichte: Nach den großen Bildungsabfrageshows, die in der Folge der PISA-Studie im TV zu sehen waren und Lücken in Rechtschreibung oder Arithmetik aufdecken sollten, gibt es jetzt eine neue Spartensendung innerhalb der Sparte. Am Donnerstagabend widmete sich Jörg Pilawa in seinem "Großen Geschichts-Quiz" intensiv der Historie. Aus der Schule haben die meisten Geschichte ja als staubiges Fach in Erinnerung, in dem es hauptsächlich ums Auswendiglernen von Jahreszahlen ging.

Für andere ist es Fasching, er fährt so im Streitwagen zur Arbeit: Jörg Pilawa. (Foto: Foto: NDR)

Dass es ihm in dieser Spezialausgabe seiner werktäglichen ARD-Quizshow eben genau darum nicht geht, sondern um Geschichte zum Anfassen, machte Pilawa von dem Moment an klar, in dem er als römischer Legionär verkleidet im Streitwagen auf die Bühne fuhr, mit einem "Salve" grüßte und seinen "Minirock" präsentierte. "Sie denken, der will Legionär sein, aber seine Beine sehen eher nach Legionärskrankheit aus", sagte er, versuchte sich also an Gottschalk'schem Humor und überzog dementsprechend die Live-Sendung zur Premiere gleich mal um 20 Minuten.

Es fing durchaus interessant an: Das "Nachrichten-Team", bestehend aus Steffen Seibert und Jan Hofer, wusste, dass die Römer schon Socken in Sandalen trugen. Die Zuordnung der Ratenden nach Berufsgruppen verleiht der Show einen gewissen "Dalli-Dalli"-Charme: Barbara Wussow und Albert Fortell bildeten das "Schauspieler-Team" und im "Moderatoren-Team" erfüllte Sonya Kraus neben Oliver Welke zunächst ihre Aufgabe als Quotenblondine. Sie präsentierte den Spickzettel auf ihrem nackten Oberschenkel, entpuppte sich dann aber als gute Raterin: Am Ende gewannen sie und Oliver Welke mit deutlichem Vorsprung und wurden von den Verliererteams auf dem Streitwagen aus dem Studio gezogen.

Nach den guten Anfangsminuten war die Show überraschend eingebrochen: Plötzlich hatte der Fußballmanager Reiner Calmund als Konrad-Adenauer-Experte auf der Bühne gestanden und über seinen Lieblingspolitiker doziert: "Adenauer war einfach ein großer Macher, der seinen Job von der Pike auf gelernt hat." Er habe "in der schweren Zeit" dafür sorgen müssen, dass die Leute "Hammi-Hammi" hatten. Sagte Calmund mit einem Strahlen in den Augen und präsentierte dann die vom Hobby-Erfinder Adenauer entwickelte Sojawurst, scheinbar heute noch dankbar, nicht verhungern zu müssen.

Grüße von Kuli und Wim

Die Fragen zu Kaiserin Sissi waren noch enttäuschender. Eine historische Relevanz dieses Boulevardthemas wurde nicht ersichtlich, und als man auch noch Romy-Schneider-Filmszenen einspielte und sie mit unselig-nervenden Kommentaren von halbprominenten Zeitgenossen wie Barbara Schöneberger oder Esther Schweins unterlegte, da drohte "Pilawas großes Geschichts-Quiz" jede Glaubwürdigkeit zu verlieren, obwohl es erst eine halbe Stunde alt war.

Doch dann fing sich die Sendung, weil sie sich von den ohnehin wiederholt in der Medienzeitschleife behandelten Themen löste und sich bislang seltener beleuchteten Ereignissen zuwandte. So machte der Zuschauer Bekanntschaft mit einer Abtrittanbieterin, die im 17. Jahrhundert eine mobile Gelegenheit zur Notdurft-Verrichtung bot, lernte, dass es noch im 19. Jahrhundert fünf Zeitzonen in Deutschland gab, dass Wikinger niemals Hörnerhelme trugen und dass römische Arenen geflutet wurden, um Seeschlachten darin auszutragen.

Wie Harald Schmidts "Psst..." steht "Pilawas großes Geschichts-Quiz" für die neue Bescheidenheit in der ARD-Unterhaltung: eine unaufwändig produzierte Rateshow, bei der es um nichts geht und nichts zu gewinnen gibt und die keinen Zuschauer auffordert, irgendwo anzurufen, um an irgendeinem Gewinnspiel teilzunehmen. Auch von musikalischen Gästen bleibt man verschont. In solch bildungsbürgerlich-eskapistischer Retro-Schlichtheit könnten auch Hans-Joachim Kulenkampff, Wim Thoelke & Hans Rosenthal wieder Abendshows moderieren. Ja, wie weiland Kuli in "Einer wird gewinnen" begrüßte auch Pilawa Statisten in historischen Berufsgewändern.

Dösen am Donnerstag

Jörg Pilawa ist mit den Jahren zu einem souveränen Moderator geworden und fliegt locker durch eine zweistündige Live-Sendung. Es ist gut, dass er die Fragen nicht sofort auflöst, sondern die Kandidaten ihre Entscheidungen begründen lässt, weil der Zuschauer so einen Einblick in ihr Urteilsvermögen erhält. Wenn die Macher den Mut hätten, der Geschichte wirklich auf den Grund zu gehen und à la "Der große Preis" von Multiple-Choice-Antworten abzusehen, könnte aus dem "Geschichts-Quiz" eine gute Show werden.

Aber vielleicht sind es gerade die seichten Elemente, wie die historischen Humorclips mit Jochen Busse oder die allenfalls zum Schmunzeln animierende Sonderausgabe von "Sabine Christiansen" mit Friedrich dem Großen, den Brüdern Grimm und Karl May als Talkgästen, die Pilawas bunte Rundreise durch die Geschichte als Donnerstagabend-Show prädestinieren: Gegen Ende der Woche, wenn man für den Freitag noch mal Kraft braucht, ist es nicht zum Schaden des Zuschauers, wenn er ohne Verlust zwischendurch mal ein paar Minuten wegdösen kann.

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