Theatergeschichte:Zur Hochzeit eine Hauptrolle

Der Nachlass von Marianne Hoppe steht Forschern nun im Theatermuseum offen

Von Christiane Lutz

Nachlässe sind Schatzkästchen voll wundersamer Dinge. Wer sich hinein gräbt, findet Belege, die unendlich viel über ein Leben, ja ganze Epochen erzählen. Im Falle des Nachlasses von Marianne Hoppe befinden sich darin mehr als 1000 Briefe, Arbeitsmanuskripte, mehr als 1500 Fotos, Tagebücher und andere Schriftstücke. Das Deutsche Theatermuseum hat, unterstützt vom Freistaat, der bundesdeutschen Kulturstiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft nun den Nachlass der Schauspielerin erworben. Ein wichtiges Stück deutscher Theatergeschichte kommt damit nach München und wird künftig der Forschung zugänglich sein. Hier fünf Dokumente, die Einblick in das Leben der Schauspielerin geben.

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(Foto: Münchner Theatermuseum)

Auf diesem Bild ist Marianne Hoppe mit Therese Giehse zu sehen, mit der sie nach dem Krieg eine Liebesbeziehung pflegte. Es zeigt die Schauspielerinnen in einer Inszenierung von Hauptmanns "Die Ratten" an den Kammerspielen aus dem Jahr 1932. In der Kantine der Kammerspiele lernte die junge Marianne Hoppe übrigens auch Ödön von Horváth kennen, mit dem sie kurze Zeit liiert war. Über den Intendanten der Kammerspiele, Otto Falckenberg, sagte sie einst: "Bei Falckenberg wird alles mit einem heiligen Ernst gespielt, da ist nichts unwichtig."

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(Foto: Münchner Theatermuseum)

Das Gretchen in Goethes Faust war Hoppes erster großer Bühnenerfolg. "Ein kometenhafter Start in die Reihe der ersten Schauspieler im Reich", sagt die stellvertretende Leiterin des Theatermuseums Birgit Pargner. Hoppe, privat eine sprühende Persönlichkeit voller Tatendrang, galt als Talent für tragische Rollen. Das Bild stammt aus einer Inszenierung am Berliner Preußischen Staatstheater 1935. An dem Haus lernte Hoppe auch Gustaf Gründgens kennen, den Intendanten und ihren späteren Ehemann.

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(Foto: Münchner Theatermuseum)

Gustaf Gründgens schenkte Marianne Hoppe zur Hochzeit 1936 die Hauptrolle im Film "Der Schritt vom Wege", eine Bearbeitung von Fontanes "Effi Briest". Hartnäckig hält sich das Gerücht, Gründgens und Hoppe hätten nur eine Scheinehe geführt, um Gründgens' Homosexualität zu verschleiern. Tatsächlich waren beide Künstler bisexuell. "Die Beziehung zwischen ihnen aber war bis zum Schluss von erotischer Natur", sagt Pargner, Briefe aus dem Nachlass belegen das. Die Ehe wurde zwar nach zehn Jahren geschieden, doch Hoppe und Gründgens blieben einander immer verbunden, er war ihr wichtigster künstlerischer Partner.

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(Foto: Münchner Theatermuseum)

Marianne Hoppe fing nach Kriegsende mit dem Tagebuchschreiben an und führte ihre Notizen bis zum Lebensende fort. Sie und Gründgens hatten während des Nationalsozialismus gefährlich nah an der Macht gelebt und sich entschieden, das Regime zu tolerieren und als Schauspieler weiter zu arbeiten. Oft waren sie dafür kritisiert worden. In Hoppes Aufzeichnungen nach 1945 entlädt sich die ganze Anspannung, die Angst auf einen Schlag. Sie schreibt viel über Reue und Buße, wird von Schuldgefühlen gequält, erleidet einen Zusammenbruch. Sie sucht und findet Halt in übertriebener Religiosität. Vom Theater und vom Film will sie erst einmal nichts wissen, stattdessen stürzt sie sich in eine Affäre, aus der ihr einziger Sohn Benedikt hervorgeht.

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(Foto: Münchner Theatermuseum)

Bis wenige Jahre vor ihrem Tod im Jahr 2002 spielte Marianne Hoppe Theater. Am Berliner Ensemble, wo einst ihre Karriere begann, schloss sich der Kreis 1997 in der Inszenierung "Monsieur Verdoux" nach dem Film von Charlie Chaplin. Neben ihr steht Martin Wuttke, mit dem sie auch in Heiner Müllers Inszenierung des "Aufhaltsamen Aufstiegs des Arturo Ui", die nach wie vor gespielt wird, die Rolle des "Schauspielers", der Ui die großen Gesten beibringt, auf der Bühne stand. Sie hatte die Rolle von Bernhard Minetti übernommen. "Da war sie schon nicht mehr auf der Höhe ihrer Gedächtnisleistung", sagt Pargner. "Die Leute hörten schon die Souffleuse, bevor Hoppe überhaupt zu reden begann. Aber sie konnte das immer überspielen, das Publikum war von ihr gefesselt."

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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