Theater-Festival:Kellerspiele

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Körpertheater mit Mut zum Blut: Heiner Stöckle in Lars Keke Altemanns "Rote Reihe Nr. 8". (Foto: Paulina Lippert)

In Neuperlach schöpfen junge Theatergruppen beim Wort-Schau-Festival im Pepper-Theater aus der Fülle ihrer Bühnenideen

Von J. Gaschler und K. Bauer

Vor dem Einkaufszentrum in Neuperlach steht Orpheus im Regen, die Hand zur Faust geballt, die Götter verfluchend, die ihm seine Eurydike nahmen. Mit ihm steigt das Publikum ins Inferno hinab. So höllisch aber sieht das kleine Kellertheater mit den Kinosesseln und dem Kronleuchter nicht aus, obwohl die leistungsstarke Lichtanlage Fegefeuer und Schattenspiele herbei zaubert. Seit Freitag findet im Pepper-Theater das erste Wort-Schau-Festival statt. An acht aufeinanderfolgenden Tagen wetteifern Bühnenstücke, Live-Hörspiele, Kollagen und Performances um den mit 1 000 Euro dotierten Förderpreis. Der erste Eindruck zeigt: In den jungen Theatergruppen steckt Potenzial, Spielfreude und Mut zu eigener Inszenierungsästhetik.

Performativ und eindrucksvoll-unangenehm ist etwa die "Rote Reihe Nr. 8", in der Regisseur und Autor Lars Keke Altemann den Serienmörder Fritz Haarmann wüten lässt. Vor allem Andreas Gießer als pädophiler und wahnsinniger Haarmann ist schauspielerisch unbedingt überzeugend. Assoziativ stellt Altemann sexuelle Obsession und Kannibalismus dar. Bis ins Knochenmark schneidet das Geräusch der Kaffeemühle, die Haarmann lüstern dreht, während sich auf dem Boden sein neues Opfer windet. Erlösend ist da die Slapstick-Szene, in der Haarmann in "Dinner for One"-Manier Würstchen serviert und immer wieder auf einer Blutlache ausrutscht. Leider bleibt Altemann nicht bei seinen Stärken, erzeugt mit brutal ausgespielten homoerotischen Passagen einige Längen.

Orpheus, glaubhaft gespielt von Tobias Pielok, führt seine Zuschauer mit sich durch das Theater und bricht so die Raumaufteilung effektvoll auf. Dabei begegnet er geisterhaften Gestalten der Mythologie, etwa einem grandios-irrsinnigen Dädalus, verkörpert von Simon Nagy, der auch das Stück verfasste und Regie führte. Das ist bildstark, wenn auch etwas kurz und monologlastig.

Das Bühnenbild von Büchners "Lenz" ist so einfach wie bestechend: Lenz, gespielt von Danijel Szeredy, ist hinter durchsichtiger Plastikfolie in seiner eigenen Welt gefangen. Alena Vaida spukt als sein innerer Dämon tanzend über die Bühne, führt ihn mit Klopfgeräuschen in die Irre, flüstert ihm zu treibenden Elektro-Beats selbstzerstörerische Gedanken ein. Wie Lenz mit sich ringt und doch zunehmend dem Wahnsinn verfällt, das rührt und gelingt mit wenig Text.

Initiiert wurde das Wort-Schau-Festival von Bahar Auer, die seit Januar das Kulturzentrum Neuperlach leitet. Zuvor kuratierte Auer neun Jahre lang den Keller der kleinen Künste. Bisher beherbergt das Kulturzentrum Jugendtheater, fremdsprachige Stücke, und Laientheater. Mit dem Festival will Auer das Programm um Produktionen der freien Szene bereichern - die alten Kontakte helfen dabei. Nach all der Schau steht am Dienstag das Wort im Fokus: "Das Gespensterschiff II" ist ein Live-Hörspiel, inszeniert von Ayna Steigerwald. Am Mittwoch hat das Kollektiv Tod & Teufel mit Samuel Becketts' "Das letzte Band" Premiere. "Future Disco" entwirft die Vision von der Gesellschaft als einer gigantischen Disco im Jahre 2980. Die Collage "Die Welten des Ich und Du" von Roya Aßbichler schließt das Festival ab. Am Samstag zeichnen die Juroren Sarah Bergh vom Kulturreferat, die Autorin Andrea Funk und der Regisseur Martin Kindervater die überzeugendste Inszenierung aus.

Wort-Schau-Festival , bis Sa., 24. Sep, täglich um 20 Uhr, Pepper-Theater Neuperlach

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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