"The Zimmers"- die älteste Band der Welt:Frisch aus dem Altersheim

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Zusammen sind sie 3000 Jahre alt und gerade stürmen sie die britischen Charts: "The Zimmers". Ein Anruf bei ihrem ältesten Mitglied, Buster Martin, 100 Jahre alt.

Marten Rolff

Ihr Leadsänger ist 90, ihre jüngste Chordame immerhin 63, und gemeinsam bringen es die 40 Mitglieder von "The Zimmers" auf ein Alter von 3000 Jahre (Durchschnitt: 78). Die Seniorenband, die die BBC für eine Dokumentation in Altenheimen casten ließ, begeistert derzeit ganz Großbritannien. Vor wenigen Tagen ist ihre erste Single erschienen, eine Coverversion des Klassikers "My Generation" von Pete Townshends "The Who". Der Song ist auf gutem Weg an die Chartspitze.

Buster Martin (Mitte) und Kollegen. (Foto: Foto: dpa)

Das Video der "Zimmers" wurde auf Youtube mehr als zwei Millionen Mal geklickt, Album und Europatour sollen folgen. Das älteste Mitglied der Band, deren Name selbstironisch vom englischen Wort für Gehwagen (zimmer frame) entlehnt wurde, ist Buster Martin. Der Klempner lebt in einer Wohnanlage bei London und feiert im September seinen 101. Geburtstag.

SZ: Hallo Mister Martin, wie fühlt es sich an, plötzlich berühmt zu sein?

Martin: Ganz gut. Es ist schon ungewöhnlich. Die sonderbarsten Leute sprechen mich darauf an. Die Musik scheint ihnen zu gefallen. Sie sagen, sie lieben es.

SZ: Sie sind möglicherweise der älteste Sänger der Welt.

Martin: He, he, klingt gut, was? Auch wenn es vermutlich nicht stimmt. Für mich ist aber viel wichtiger: Ich habe mein Leben immer genossen, das zählt.

SZ: The Zimmers sind in Senioren-Chören und Altenheimen gecastet worden. Wie sind Sie zur Band gekommen?

Martin: Ganz einfach: Ich wurde gefragt, und ich habe zugesagt. Ich habe einen gewissen Ruf in meiner Umgebung. Viele kennen mich hier.

SZ: Wie haben Ihre Bekannten auf den Erfolg reagiert?

Martin: Einige meiner Nachbarn in der Wohnanlage sind schon etwas neidisch. Sie gönnen mir das, aber sie würden eben auch gerne mitmachen, können nur nicht mehr so recht. Das ist ja nun das Gute an den Zimmers: Weil es sehr ungewöhnlich ist, dass so alte Leute in einer Band spielen, werden die Menschen endlich aufmerksam auf die Situation der Alten.

SZ: Das ist ja auch das eigentliche Ziel gewesen bei der Gründung der Band.

Martin: Ja, und diese Aufmerksamkeit ist notwendig. Ein Freund von mir kann zum Beispiel seit drei Jahren seine Wohnung nicht verlassen. Viele Senioren sind auf sich allein gestellt. Es ist schlimm!

SZ: Waren Sie denn selbst je einsam? Leben Sie allein?

Martin: Sie glauben doch nicht, dass ich so alt geworden bin, um mir noch von einer Frau reinquatschen zu lassen. Nein! Ich komme ganz gut allein zurecht in meiner Wohnung. Es ist betreutes Wohnen, aber unabhängig. Ich koche und mache auch meine Wäsche selbst. Ich gehe noch ins Pub. Und ich arbeite noch drei Tage in der Woche als Klempner.

SZ: Sie arbeiten noch?

Martin: Klar, ein paar kleine Reparaturen hier, ein paar Reinigungsarbeiten dort. Ich habe fast 90 Jahre lang keinen Tag wegen Krankheit gefehlt.

SZ: Auch auf dem Bildschirm wirken Sie sehr fit. Ihre Band kommt für ihr Alter regelrecht wild rüber. In der Graham Norton Show haben einige im Backstage-Bereich randaliert. Und im Video zeigen Sie zum Schluss den Stinkefinger, während Ihre achtzig- und neunzigjährigen Chordamen die Gitarren zertrümmern.

Martin: Also das mit den Gitarren hätte ich mir nun auch noch zugetraut. Leider durfte ich nicht, das war nicht vorgesehen im Video. Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe noch ziemlich viel Kraft. Ich habe früher viel Rugby gespielt. Und das mit dem Finger fiel mir nicht schwer. Wissen Sie, ich hatte immer schon ein wenig den Schalk im Nacken.

SZ: Wie war es eigentlich, den Song in den berühmten Abbey Road Studios einzusingen? Immerhin haben dort die Beatles ihre Alben produziert.

Martin: Die Abbey Road Studios waren schon in Ordnung. Ich kann mich noch an ihre große Zeit erinnern. Aber die Beatles sind ja auch nicht mehr das , was sie mal waren. Schauen Sie sich Paul McCartney an, ein netter Typ, aber dieser Lebensstil und diese Art, wie er redet! Er übertreibt ein wenig, oder? Geld verdirbt eben vieles. Sobald die Leute Geld in die Finger kriegen, glauben sie, sie könnten tun und lassen, was sie wollen. Wir bekommen ja auch Geld, aber wir spenden es immerhin für einen guten Zweck.

SZ: The Zimmers werden derzeit mit Interviewanfragen bombardiert. Zudem plant die Band eine Europatour, und Jay Leno hat Sie nach Amerika in seine Show eingeladen. Sind Sie da überall dabei? Martin: Ich war schon bei einigen Fernsehshows dabei. Und auch auf die Europatour soll ich mit. Das will ich ja gerne, aber es ist unsicher, ob das klappt. Meine Situation ist leider etwas ärgerlich, ich hatte nämlich noch nie einen Pass. Ich bin ursprünglich als kleiner Junge aus dem französischen Baskenland eingewandert. Hi, hi, ein Franzose, der älteste Illegale im Land! Aber englischer als jeder Engländer, darauf gebe ich mein Wort! Nun habe ich einen Pass beantragt. Aber ich sage nur: Ämter! Das dauert. Mit Amerika wird es also nichts, der Termin ist schon in dieser Woche.

SZ: Im Refrain von ,,My Generation'' heißt es ,,I hope I die before I get old'', also ,,Ich hoffe ich sterbe, bevor ich alt werde''. War es für Sie nicht merkwürdig, diese Zeile zu singen?

Martin: Nein, überhaupt nicht. Warum auch, auf viele Menschen trifft das ja leider Gottes zu. Und ich selbst fühle mich nicht zu alt.

SZ: The Zimmers haben ihr Repertoire inzwischen erweitert. Nach ,,My Generation'' von The Who singt die Band jetzt ,,When I'm (one hundred and) 64'' von den Beatles und ,,Firestarter'' von The Progidy. Nun fordern ihre Fans auch ,,Lust for Life'' von Iggy Pop. Ist das eigentlich alles nach Ihrem Geschmack?

Martin: Ich für meinen Teil gehe ja lieber in die Oper. Aber auch Rock 'n' Roll ist okay. Nur einige Texte finde ich schon etwas seltsam.

SZ: Mister Martin, wie sehen angesichts des großen Bandprogramms Ihre Pläne aus? Was wünschen Sie sich?

Martin: Ach Pläne! In meinem Alter überlegt man morgens beim Aufstehen, wie es einem geht und worauf man gerade Lust hat. Wenn dann jemand mit einer guten Idee vorbeikommt, bin ich dabei.

© SZ vom 5.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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