Ted-Konferenz:Papst Franziskus predigt von der Video-Kanzel

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Der Papst in seinem Ted-Talk: "Das Leben fließt durch unsere Beziehungen zu anderen." Das hören auch die Konstrukteure der sozialen Medien gern. (Foto: Glenn Chapman/AFP)

Erst Julian Assange, dann Edward Snowden - nun ist Papst Franziskus Überraschungsgast auf der Ted Conference. Mit religiösen Parabeln hält er sich allerdings zurück.

Von Andrian Kreye, Vancouver

Es war dann doch ein seltsamer Moment, als der Papst am späten Nachmittag am Dienstag zur Gemeinde der Tech-Elite im kanadischen Vancouver sprach. Genauer gesagt, gab er einen Ted-Talk. Das ist ein etwa 15 Minuten umfassender Kurzvortrag der Ted Conference, bei der sich die Elite der digitalen Welt seit 1984 einmal im Jahr an der Westküste trifft, um sich von Wissenschaftlern, Innovatoren und Aktivisten auf den neuesten Stand der Weltlage bringen zu lassen. Videoaufzeichnungen dieser Vorträge gehen dann über die Webseite der Organisation gratis um die Welt. Sechs Milliarden Mal wurden Ted-Talks bisher schon angesehen.

Papst Franziskus war in diesem Jahr der Überraschungsgast. Diesen Ehrenplatz bekamen in den letzten Jahren vor allem die Volkshelden der digitalen Welt wie Julian Assange oder Edward Snowden. Der Papst war offenbar gut beraten, denn er nutzte die Gelegenheit, um sich auch hier als Weltvolksheld zu präsentieren. Sanfte Kapitalismus- und Technologiekritik predigte er in der Videoeinspielung, auf der er an einem schlichten Schreibtisch vor einem Bücherregal zu sehen war.

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Drei Botschaften hatte er zu verkünden. In Anspielung auf das diesjährige Ted-Motto "The Future You" (frei übersetzt: was oder wer du in der Zukunft sein wirst) mahnte er: "Die Zukunft besteht aus mehreren ,Dus', sie besteht aus Begegnungen, denn das Leben fließt durch unsere Beziehungen zu anderen." Er spielte auf seine eigene Vergangenheit als Kind einer Flüchtlingsfamilie an und forderte, diese Beziehungen wieder auf eine gesunde Grundlage zu stellen.

Das war ein deutliches Plädoyer gegen die Spaltung der Gesellschaft, die in der demokratischen Welt nirgendwo so deutlich wird wie in Amerika: "Selbst das harte Urteil, das ich in meinem Herzen gegen meinen Bruder oder meine Schwester hege, die offene Wunde, die nie geheilt wurde, das Vergehen, das nie vergeben wurde, der Hass, der mich nur verletzen kann, all das sind Beispiele für einen Kampf, den ich in mir trage, eine Fackel in meinem Herzen, die gelöscht werden muss, bevor es in Flammen aufgeht und nur Asche hinterlässt."

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Seine zweite Botschaft richtete sich ganz direkt an die Tech-Elite: "Wäre es nicht wunderbar, wenn das Wachstum der wissenschaftlichen und technologischen Innovationen mehr Gleichheit und soziale Inklusion mit sich bringen würde?" Da fiel der Übergang zur Kapitalismuskritik nicht schwer, immerhin finden sich im Publikum alljährlich einige Hundert Multimillionäre und -milliardäre, die viel Geld für wohltätige Zwecke ausgeben. "Wie wunderbar wäre es, wenn Solidarität, dieses wunderschöne, hin und wieder unbequeme Wort, nicht einfach zur Sozialarbeit reduziert würde, sondern stattdessen die Grundeinstellung für politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entscheidungen würde, genauso wie für die Beziehungen zwischen Individuen, Völkern und Ländern."

Die dritte Botschaft war die Verkündung einer "Revolution der Zärtlichkeit". Da warnte er vor der berauschenden Wirkung der Macht. "Bitte erlauben Sie mir, es laut und deutlich zu sagen: Je mächtiger Sie sind, desto mehr Folgen haben Ihre Handlungen für die Menschen, desto mehr Verantwortung haben Sie, demütig zu handeln."

Papst Franziskus war sich des Reichtums, Einflusses und der eher säkularen Gesinnung seines Publikums sehr bewusst. Er hielt sich mit den religiösen Parabeln zurück, erzählte nur die Geschichte vom barmherzigen Samariter. In dieser Welt war sein Auftritt so etwas wie markenfremde Markenbildung. Beide werden davon profitieren. Für die Ted Conference war der "Talk" des Papstes ein Coup. In einer Welt, in der die Tech-Elite umstrittener denn je ist und das Führungspersonal der amerikanischen Politik sich tagtäglich desavouiert, gibt es keine Figur, die so viel Macht hat und der gleichzeitig so viel Integrität zugesprochen wird wie Papst Franziskus. Für den wiederum war diese Ansprache zu etwa 1500 der mächtigsten Zukunftsmacher und Entscheider eine Chance, seine Ökumene des Glaubens und der Wissenschaften ein Stück voranzubringen.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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