"Tatort":Klirrend kalte Kaschmir-Bubis

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Ein Junge wird tot im Schwimmbecken eines Elite-Internats gefunden - und die Mitschüler zeigen kein Mitgefühl. Der "Tatort" nimmt sich diesmal dem Thema Wohlstandsverwahrlosung an.

Else Buschheuer

Zwei Menschen stehen am Schwimmbecken und beobachten einen Sack, der unter Wasser zappelt. Viktoria (Nora von Waldstätten) und Max von Stein (Florian Bartholomäi) wirken in ihren Schuluniformen schick wie Flugbegleiter. Sie sind aber eiskalte Engel. Mörderbienen. Porzellanpuppen, ohne Regung in den hübschen Gesichtern.

"Herz aus Eis", ein klirrend kalten Krimi über eiskalte Schüler eines Elite-Internats. (Foto: Foto: AP)

Dorothee Schön, die Autorin, hat sich in diesem Bodensee-Tatort dem Phänomen der Wohlstandsverwahrlosung angenommen. Im Elite-Internat Schloss Hamberg - dem fiktiven Gegenteil der Rütlischule also - geschieht ein perfekter Mord. Oder ein perfekt geplanter Mord. Ein Mord, der jedenfalls gründlich nach Suizid aussehen wird.

Als Stephan, Scheidungskind eines Top-Managers und einer berühmten Schauspielerin, gefunden wird, ist der Bettbezug, in dem er wie ein Kätzchen ersäuft wurde, bereits entsorgt. Bäuchlings, in T-Shirt und Boxershorts, liegt er auf dem Grund des Schwimmbeckens. Am Beckenrand Kerzen, eine Schnapsflasche, leere Tablettenröhrchen, kein Abschiedsbrief.

Ein so theatralisch inszenierter Tod, und dann in einem Max-und-Moritz-T-Shirt? Das kommt Kommissarin Klara Blum (Eva Mattes) seltsam vor. "Kaschmir-Bubis und Kaschmir-Barbies" nennt sie die Internatsschüler, deren Cabrio-und-Drogen-Eskapaden sie noch aus ihrer Zeit als Streifenpolizistin kennt. Tiefe Bindungen scheinen die Bubis und Barbies untereinander nicht zu haben. Als Klara Blum zu den Mitschülern des Toten sagt: "Nur die, die Stephan etwas näher kannten, bleiben bitte noch", leert sich der Klassenraum komplett.

Auch Olga (Rosalie Thomass) geht, obwohl sie Stephan am Vorabend seines Todes ein Schlafmittel in den Wodka rührte. Auch Viktoria geht, obwohl sie Olga dazu beauftragt hatte. Auch Max will gehen, obwohl er die letzten Sommerferien mit Stephan verbrachte.

Nach und nach lernt Klara Blum die Schüler kennen: Olga, eine russische Milliardärstochter, scheint von Stephans Tod sehr mitgenommen zu sein. Kevin (Constantin von Jascheroff), Sohn einer Krankenschwester, bessert sein Stipendium mit Drogendealen auf. Max (dessen größtes Problem ist, dass er zum Abi keinen Porsche kriegt) trägt immerhin eine teure Armbanduhr.

Viktoria, Vollwaise und die Klügste von allen, hat beschlossen, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Vielleicht ist das eine Schwäche des Films - dass es keine einzige Sekunde gibt, in der man die Täter versteht oder ihnen ein Entkommen wünscht. Wer den Kaschmir-Bubis und -Barbies beim Morden zusieht, wünscht ihnen eines: harte Strafen.

Diese Kinder kennen weder Mitgefühl noch Reue. Sie stehen kleidsam im französischen Schulgarten herum wie Figuren aus Alain Resnais' Letztes Jahr in Marienbad. Dass sie sich immerzu vielsagend, bedeutungsschwanger und durch und durch fies anschauen, und zwar den ganzen Film über, nervt maximal. Der einzige normale Mensch scheint die Kommissarin zu sein. Sie fährt miserabel Auto, hat ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, greift oft in die Trickkiste - all das macht sie zum Glühwürmchen in diesem klirrend kalten Krimi.

Tatort - "Herz aus Eis", ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 21.02.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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