SZ-Magazin:"Hör mir mit dem Showbusiness auf! Die Sache hat mich fast umgebracht."

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Er spielte den harten Burschen bloß, um über sich hinauszuwachsen. Denn Clint Eastwood ist ein hoch sensibler Mann. Und schüchtern! Interview: Peter Bogdanovich

Peter Bogdanovich: In deiner Karriere zeichnet sich eine Vorliebe für bestimmte Genres ab. Suchst du in deinen Rollen so etwas wie Befreiung?

(Foto: 1962, Los Angeles, Foto: AP)

Clint Eastwood: Schauspieler zu sein bedeutet für mich das Ausleben von Fantasien. Jemanden zu spielen, der man nicht ist, oder gewisse Lebenssituationen stellvertretend durchzuspielen macht viel mehr Spaß ˆ und darin steckt sicherlich auch etwas Befreiendes. Dass Detektive mir immer Spaß gemacht haben, hat vermutlich mit meiner Kindheit zu tun, in der ich ständig Räuber und Gendarm spielte. Als Kind siehst du, wie Gary Cooper durch die Prärie reitet, und denkst, so was möchte ich auch machen.

Als Westernstar hast du dich allerdings immer sehr von deinen Vorgängern unterschieden. 1968 sagte mir dein Regisseur Don Siegel einmal: "Eastwood ist total auf den Antihelden fixiert. Das ist sein Credo und in all seinen Filmen besteht er darauf. Ich kenne keinen Schauspieler, dem sein Image so gleichgültig ist. Andere zaudern, wenn das Drehbuch eine Affäre mit einem 17-jährigen Mädchen vorsieht. Eastwood besteht geradezu darauf."

Also, mit einer 17-Jährigen würde ich wohl auch Probleme kriegen. Aber es stimmt schon: Ich war immer darauf aus, das Helden-Image des Hauptdarstellers zu durchkreuzen. Vielleicht lag das am Einfluss von James Cagney, der sich nicht scheute, Hühnchenkeulen zu knabbern und durch den geschlossenen Kofferraum zu schießen [wie in "Sprung in den Tod", 1949].

Deine Helden verhalten sich jedenfalls anders, als man es erwartet.

Bei mir hat das funktioniert. Mit John Wayne etwa bekam Don dagegen Probleme, beim Drehen von Der Scharfschütze [1976]. Die Schurken kommen in den Saloon, um Wayne hochzunehmen, und Don instruiert ihn: "Während du auf den ersten schießt, schleicht sich der zweite weg, aber du kommst direkt von hinten und erschießt ihn." Wayne wird ganz stumm, dann sagt er zu Don: "Ich schieße niemanden in den Rücken." Und da beging Don einen ersten großen Fehler, er versuchte Wayne zu überzeugen: "Das ist doch logisch. Um mit den anderen Kerlen fertig zu werden, musst du den erst mal umlegen." Wayne erwiderte nur: "Nein, ich schieße niemanden in den Rücken." Darauf Don: "Also, der Clint, der würde das machen." Und das war ein weiterer schrecklicher Fehler, wie er mir gestand. Waynes Blick wurde wolkig und abwesend. Nicht, dass Wayne etwas gegen mich hatte, aber er wollte nicht mit mir verglichen werden.

In "Der Texaner" [1976, auch Regie] schießt du jemanden in den Rücken.

Das muss man ganz pragmatisch sehen: Der Kerl hinter mir will mich umbringen, dreht mir aber kurz den Rücken zu. Ich habe all die Sachen gemacht, die in den alten Western undenkbar waren. Die Vorstellung, dass zwei Männer auf die Straße gehen und warten, bis der andere zieht, wie etwa in "Rauchende Colts", fand ich immer albern. Wer zuerst zieht, verschafft sich einen Riesenvorteil.

Eine Schwarzweißzeichnung deiner Charaktere hast du auch als Regisseur immer vermieden.

Als wir eines Nachts oben in High River, Kanada, in der Nähe von Calgary, "Erbarmungslos" [1992, auch Regie] drehten, wurde Gene Hackman für eine Szene ganz in Schwarz gekleidet. Ich fragte den Kostümbildner: "Was soll das?" Er: "Wir hatten dieses tolle Kostüm dabei und ich∑" ˆ "Moment", sagte ich. "Dieser Mann ist nicht der Schurke. Er hält sich für den Helden. Er benimmt sich wie ein Schurke, aber er glaubt, der Gute zu sein. Er ist ein ganz normaler Bürger." Also holte ich Gene im Garderobenwagen ein anderes Jackett und Hemd vom Bügel.

In "Der Wolf hetzt die Meute" [1984] stellst du sogar eine Analogie zwischen den sexuellen Gewohnheiten eines Polizisten und denen eines Täters her.

In dem Film geht es um einen Polizisten, der etlichen Versuchungen erliegt. Er versteht den Täter und fragt sich sogar: "Bin ich wie er?"

Hat Don Siegel deinen Regiestil geprägt durch seine knappe Darstellung und sein schnelles Arbeiten?

Ich habe ihn immer bewundert. Nie werde ich vergessen, wie [Studioboss] Frank Wells auf dem Set von : "Dirty Harry" [1971] auftauchte. Don war gerade bei der Einstellung, wo der Andy Robinson [der Killer] in einem alten Steinbruch ein Treppengeländer hinunterrutscht und wegfährt. Don sagt: "Okay, Action." Der Mann fährt mit dem Wagen aus der Szene und Don sagt: "Danke, das war's." Frank konnte es nicht glauben: "Nur eine Klappe?" Ich sagte: "Klar, es hat gleich beim ersten Mal funktioniert." Und er: "Aber ich bin überall auf den Sets und solche Einstellungen werden nie mit einer Klappe gemacht. Die anderen wiederholen das zehn Mal." Ich: "Das ist der Unterschied."

(Mehr am Freitag im SZ-Magazin)

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