Studententheater:Heilsame Schmerzen

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Diese Theaterwissenschaftler der LMU sind dem Aufruf ihres Kommilitonen Jan Struckmeier gefolgt und machen jetzt auch außerhalb der Uni Kunst. (Foto: Jean-Marc Turmes)

"Theater tut weh" nennt der Jan Struckmeier seine Performance-Gruppe, in der er mit Kommilitonen der LMU Ungewöhnliches auf die Bühne bringen will

Von Christiane Lutz

Freie Theater und Theatergruppen geben sich gern poetische Namen. "Hunger & Seide" heißt eine Münchner Gruppe zum Beispiel. "Sensemble" ein kleines Theater in Augsburg. Wem in der Richtung nichts einfällt, greift zu was Lustigem. "Monster Truck" nennt sich eine Formation aus Berlin. Seine Theatergruppe aber "Theater tut weh" zu nennen, ist eine klare Ansage. Nichts mit Poesie oder Humor. Nein, Theater tut nun mal weh. Körperlich zunächst denen, die es machen und mit nackten Beinen auf Holzböden herumrutschen müssen und blaue Flecken davon tragen. Im Herzen natürlich den Zuschauern, die unbequeme Wahrheiten präsentiert bekommen sollen. Passend dazu ist die Website von "Theater tut weh" in Schwarz-Weiß gehalten. "Theater tut weg" sei sein Schaffensmotto, sagt Jan Struckmeier. Er ist 24 Jahre alt, macht derzeit den Master in Theaterwissenschaft an der LMU. Vor einigen Monaten hat er seine eigene Theatergruppe "Theater tut weh" gegründet, mit der er die Art von Theater machen will, die ihm gefällt. Zur Zeit besteht die Gruppe aus 16 Darstellern und zwölf Helfern im Hintergrund, die meisten sind Studenten, alle sind Laien. Man kennt sich aus der Uni und vor allem von der Studiobühne.

Hier ist ein kurzer Einschub fällig: Die Studiobühne besteht seit den 1960er Jahren und ist der Experimentierraum für die Theaterwissenschaftsstudenten der LMU. Neben dem sehr theoretischen Studium können Studenten auf der Studiobühne Regisseur oder Schauspieler sein, Kostüme entwickeln, Bühnen bauen, Pressearbeit machen. Probieren und scheitern. Zur Zeit ist die Studiobühne allerdings heimatlos. Das Gebäude an der Ludwigstraße 25 wird saniert. Rückkehr ausgeschlossen. So tingelt die Studiobühne seit zwei Semestern durch die Stadt. Man spielt mal im Heppel & Ettlich, mal in der Pasinger Fabrik. Die Suche nach einer dauerhaften Bleibe läuft noch immer.

Jan Struckmeier sitzt in einem Café in der Sonne, seine Haut ist blass wie bei vielen Theatermenschen, die ihre Tage in dunklen Probenräumen verbringen. "Mein Wunsch ist es, irgendwann Intendant eines ,Theater tut weh' zu sein", sagt er. Die Projekte an der Studiobühne hätten ihm Freude gemacht, aber er wolle etwas Eigenes haben. Kommilitonen, die seine Art zu arbeiten kannten, schlossen sich an. Castings gibt es bei ihm nicht. Aber er gab das Thema seiner nächsten Produktionen vor: Glauben. Im März verbrachte die Gruppe ein Wochenende auf einer Hütte und erarbeitete das Konzept zu "Sinnspagat", mit dem sie jetzt Premiere hat: 13 Szenen, in denen sich Darsteller und Tänzer mit ihrem persönlichen Verständnis von "Glauben" beschäftigen.

Wem das zu religiös sei, könne Glauben durch Sinn ersetzen, sagt Struckmeier. Einen bereits bestehenden Text zu inszenieren, kam ihm nie in den Sinn. Interessiert ihn nicht. "Wir wollen nicht nur Fragen stellen, wir wollen Antworten anbieten". Dass bei 17 Darstellern 17 Antworten herauskommen, ist klar. "So entsteht das Scheitern im Versuch, Antwort zu geben, ja von ganz allein", sagt Struckmeier. "Sinnspagat" ist der erste Teil einer "Glaubens-Trilogie", die er in den nächsten Jahren fortführen will. Dann schon als eingetragener Verein, mit möglicherweise eigener Spielstätte. Auch wenn das, das weiß Jan Struckmeier spätestens aus der Erfahrung mit der heimatlosen Studiobühne, eher unrealistisch ist. Die LMU übernimmt die Miete für die Mucca Halle im Kreativquartier, wo das Stück gespielt wird, und zahlt zu der Produktion einen Zuschuss von 300 Euro.

Dass man mit Theater vielleicht auch Geld verdienen sollte, um in München leben zu können, scheint für Struckmeier eine Aufgabe für die ferne Zukunft zu sein. Von kommerziellem Erfolg sind sie nicht abhängig, noch nicht. Der Studentenstatus ermöglicht die totale Aufopferung für die Kunst. Es geht um Spielen, Spielen, Spielen. Und so lang es wehtut, fühlt sich das für Struckmeier auf jeden Fall richtig an.

Sinnspagat - (M)ein Gott, ich lach doch nicht! Freitag, 17. Juni, 20 Uhr, Mucca, Schwere-Reiter-Straße 2

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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