Spider-Man 3:Flirt mit der dunklen Seite

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Peter Parker wird ein Opfer von Weltraumschleim und Politik - doch der dritte Teil der Spider-Man-Saga hat ein größeres Problem: Er wirkt lustlos, festgefahren und hohldröhnend pathetisch.

Tobias Kniebe

Die ersten Bilder mit dem dramatisch-pechschwarzen Superheldenkostüm, die ersten Andeutungen, Spider-Man könnte im dritten Teil die dunkle Seite seiner Macht entdecken: Waren das nicht wunderbare Versprechungen?

(Foto: Foto: Columbia Pictures)

Kurz zur Erinnerung: Wir reden hier von einem Studenten mit Superkräften und chronischem Helfersyndrom, der von der Idee besessen ist, für das Gesetz zu kämpfen, seine Gegner nicht zu hassen, stets das Richtige zu tun und niemanden zu enttäuschen.

In seinem Übereifer, seiner Beflissenheit und seinem häufigen Ungeschick konnte man ihn leicht ins Herz schließen - genauso schnell aber ging er einem auch auf die Nerven. Ich bin klein, mein Herz ist rein: Das war stets Spideys heimliches Motto - egal wie groß seine Taten sein mochten.

Nicht anders wollten es seine moralischen Wegweiser, der verstorbene Onkel Ben und die gütige Tante May. Dies waren zwei Menschen von derart haarsträubender Rechtschaffenheit, dass jeder Satz aus ihrem Mund in der Luft stehenblieb, um dann wie in Stein gemeißelt auf den Boden zu krachen.

Was noch in Ordnung war, solange Spidey seinen Platz in der Welt erst finden musste: Teil eins war der ultimative Pubertätsfilm, das Erwachen unheimlicher aber auch faszinierender Kräfte im eigenen Körper; Teil zwei geriet, besser noch, zum hochrealistischen Beziehungsdrama, inklusive des beinah unlösbaren Problems, die große Berufung mit der großen Liebe unter einen Hut zu bringen. Doch nun? Nun wird es definitiv Zeit für ein bisschen Spaß.

Tödliches Superschurken-Fluidum

Höchste Zeit sogar, wie die ersten Minuten des Films beweisen. Spidey und seinem Alltags-Ego Peter Parker, beide wie immer verkörpert von Tobey Maguire, geht es gut. Sehr gut sogar. Er fühlt sich geliebt, von den Bürgern New Yorks nicht weniger als von Mary Jane Watson (Kirsten Dunst), seiner langjährigen Flamme, die nun auch seine geheime Mission kennt und von ganzem Herzen gutheißt.

In der Uni schreibt er die besten Noten, und ja, er trägt sich sogar mit der Idee zu heiraten, was Tante May dazu bringt, ihren alten Verlobungsring herauszurücken und ein neues Juwel der Weisheit in die Welt zu setzen: "Ein Ehemann muss bereit sein, seine Frau stets über sich selbst zu stellen." Kurz gesagt: Ein tödliches Superschurken-Fluidum umnebelt hier bereits das Hirn, sein Name ist Langeweile, und so kann es definitiv nicht weitergehen.

Dann passiert auch etwas. Während Peter Parker und Mary Jane im nächtlichen Central Park turteln, schlägt ein paar Meter weiter unbemerkt ein kleiner Komet ein, eine schwarze, tentakelbildende Masse flutscht aus dem Krater hervor, schleimt behende über die Wiese - und kriecht hinter das Nummernschild von Peters Mofa.

Das muss er also sein: der legendenumwobene ,,Symbiote'' aus dem Universum der Marvel-Comics, eine außerirdische Lebensform, die alle Wesen, mit denen sie eine Verbindung eingeht, zu unbesiegbaren Monstern mutieren lässt. Er wird auch Spider-Mans Leben verdunkeln. Nach Lichtjahren der Reise durch fremde Galaxien springt er einfach mal so auf sein Mofa. Zufall? Bestimmung? Ein kosmischer Plan? Wir erfahren es nicht, aber was wichtiger ist: Auch Regisseur Sam Raimi und seinen Mitstreitern scheint es völlig egal zu sein.

Was soll's, könnte man sagen, ist das nicht das große Egal-Gefühl, mit der Hollywood heutzutage an seine Blockbuster-Filme herangeht, zumal an die aus der Comicwelt? Exakt, aber im Spidey-Kontext ist diese Erkenntnis ein Schock. Herrschte in dieser Welt bisher nicht eine wunderbare Gewissenhaftigkeit, ein Stolz auf fast altmodische Drehbuchkunst, ein Horror vor billigen Lösungen?

Spürte man nicht wahre Liebe in diesen Bildern, die Liebe der Macher zu ihrem Stoff? So war es. Das hob diese Filme weit über den Durchschnitt hinaus und machte sie zu Glücksfällen des populären Entertainments. Wenn Sam Raimi und Konsorten nun also alles egal ist, wenn sie den Herausforderungen ihrer Geschichte mit Lösungen begegnen, die jeder Drehbuchstudent in fünf Minuten hinkritzeln könnte, dann ist das ein weitreichender Sündenfall.

Dann sind sie - trotz ihres Riesenerfolgs, trotz ihrer weltweiten Kasseneinnahmen von 1,6 Milliarden Dollar - am Ende doch vom System zermürbt worden. Anders gesagt: Die Hoffnung auf eine perfekte Trilogie können wir in dieser Sekunde aufgeben.

Spideys Flirt mit der dunklen Seite? Er mutiert kurz zu John Travolta in ,Saturday Night Fever", legt eine irre Tanznummer in einem Club hin und ist ein bisschen gemein zu Mary Jane, wonach er viel zu schnell wieder zu Vernunft kommt. Sein tödlicher Kampf mit dem Jugendfreund Harry Osborn, der als "Neuer Kobold" in Erscheinung tritt?

Beruht auf falschen Informationen, die sogar der Butler in zehn Sekunden aufklären könnte - was der dann irgendwann auch tut. Flint Marko alias der "Sandman", als neuer, furchteinflößender Gegner? Eigentlich ein herzensguter Mann, der nur seine erblindende Tochter retten will. Dem muss verziehen werden, das spürt man schon in der ersten Szene.

Und "Venom", eine weitere Ausgeburt des schwarzen Symbiote-Schleims, einer der wichtigsten Schurken der ganzen Comicserie? Taucht für zwanzig Minuten auf, um dann gleich besiegt zu werden. Trotz erhöhten Aufwands, trotz dreier Gegner, trotz spektakulärer Stunts und Spezialeffekte - auf einmal läuft hier nichts mehr zusammen, lässt uns das Geschehen kalt.

Spider-Man wird zur lahmen Ente

Einmal sieht man Spider-Man, bevor ihm die Schlüssel der Stadt überreicht werden und er zum offiziellen Superhelden New Yorks avanciert, vor einer riesigen amerikanischen Flagge vorbeifliegen. Ein signifikanter Moment - hier wird er etwas, was er bisher eigentlich nicht war, nämlich Teil der offiziellen Politik. "Spider-Man" aus dem Jahr 2002 konnte man als warnende Antwort auf den 11. September deuten, als Versuch, den eigenen Hass in gerechte Bahnen zu lenken, eher im Gegensatz zur Weißen Haus.

"Spider-Man 2" aus dem Jahre 2004 schien dann wie eine Verarbeitung des Irak-Kriegs, auf dem damals noch viel Hoffnung ruhte: Wenn wir uns schon aufschwingen, den Weltpolizisten zu spielen, wollen wir tief drinnen auch dafür geliebt werden. Der dritte Teil wirkt nun aber so lustlos, so festgefahren, so hohldröhnend pathetisch und so desinteressiert wie George W. Bush am Ende seiner Amtszeit - Spider-Man ist zur "lahmen Ente" geworden.

Die Ankündigung des Studios, es solle noch drei weitere Teile geben, wirkt ungefähr so wie ein Ausblick auf die nächsten Jahre der amerikanischen Politik: Wie eine schreckliche Drohung.

SPIDER-MAN 3, USA 2007 - Regie: Sam Raimi. Buch: Ivan Raimi, Alvin Sargent. Nach dem Comic von Stan Lee und Steve Ditko. Kamera: Bill Pope. Schnitt: Bob Murawski. Musik: Christopher Young. Mit: Tobey Maguire, Kirsten Dunst, Thomas Haden Church, Topher Grace, James Franco, Rosemary Harris, Bryce Dallas Howard. Sony, 140 Min.

© SZ vom 30.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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