Sex-Skandal um Max Mosley:Die große Gier

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Max Mosley möchte das britische Recht für sich ändern und legt sich mit Springer an. Auch deutsche Promis sehen ihre Persönlichkeitsrechte zunehmend verletzt.

Hans Leyendecker

Das in der Zeitung gedruckte Foto eines 68-jährigen Mannes, der nackt auf einen Bock gefesselt von einer Domina ausgepeitscht wurde, war kein schönes Foto. Es war ein erbarmungsloser Angriff auf die Privatsphäre des britischen Multimillionärs Max Mosley. Denn obwohl Mosley leidlich prominent ist, gehen seine Sexualgewohnheiten die Öffentlichkeit nichts an: Das wäre möglicherweise anders, wenn er sich unter Verweis auf viktorianische Lebensweisheiten öffentlich zu Lustfeindlichkeit bekannt, Domina verdammt und Sadomasochismus als Sünde schlechthin gebrandmarkt hätte. Das alles aber hat er nicht getan.

Obszöne Bilder des FIA-Präsidenten Mosley gingen im Frühjahr um die Welt. Nun geht der Adelige auch gegen deutsche Medien vor. (Foto: dpa)

Dennoch hat Großbritanniens schrillste und allerlauteste Sonntagszeitung News of the World in diesem Frühjahr obszöne Bilder des Aristokraten veröffentlicht und fälschlicherweise behauptet, Mosley - der auch Präsident des Internationalen Automobilverbandes (Fia) ist - habe mit fünf Huren eine Nazi-Orgie veranstaltet.

Ein heimlich gefilmtes Video wurde im Internet angeboten, es war mit Hilfe einer Knopfloch-Kamera in einer Privatwohnung aufgenommen worden. Die Bilder und das Filmchen des großen Max gingen also kräftig um die Welt; hierzulande wurde insbesondere die falsche Nazi-Kolportage veröffentlicht.

Mosley hat im Sommer dem Skandal-Blatt den Prozess machen lassen. Der High Court in London befand News of the World schuldig, die Privatsphäre Mosleys verletzt zu haben und verurteilte die Zeitung, die zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, zur Zahlung einer Genugtuungssumme in Höhe von umgerechnet rund 76 000 Euro. Die Entschädigung war nicht hoch, die Begründung des Gerichts dafür eher skurril. Der Schaden sei so groß, dass man ihn mit Geld nicht reparieren könne.

Mosley will jetzt wegen der Angriffe auf seine Privat- und Intimsphäre den Europäischen Gerichtshof einschalten. Die Entschädigung sei nicht angemessen gewesen, argumentiert er. Vor allem aber will Mosley den britischen Gesetzgeber zwingen, die Rechtsprechung zu ändern.

Groteske Neugier

Vor anderthalb Jahren beklagte die Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs, Gerda Müller, die Allgegenwart von Fotohandys und Digitalkameras mit denen "Leser-Reporter" heimlich Prominente in privaten Situationen "abschießen" würden. Dies habe groteske Formen angenommen und werde immer lästiger, sagte die Richterin.

Neulich sorgte sich die Neue Zürcher Zeitung, dass selbst in der Schweiz "der Sinn für die Privatsphäre schwindet". "Warum werden immer mehr Intimitäten auf allen Kanälen behandelt?" fragte das Blatt etwas ratlos. Anlass für diese Betrachtung war vor allem die mediale Behandlung der Krankenakte des Bundesrats Hans-Rudolf Merz. Der Schweizer Finanzminister war mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand zusammengebrochen, hatte fünf Bypässe bekommen und nachdem er aus dem Koma erwacht war, fragten Journalisten besorgt, ob das Gehirn Schaden genommen habe.

Der Bundespräsident kritisierte die Neugierde der Medien. Der Presseratspräsident verteidigte die öffentliche Behandlung der Krankheitsgeschichte.

Auffällig war, dass Ärzte, die allerdings von ihrer Schweigepflicht entbunden worden waren, sehr genau Auskünfte über den Zustand des Patienten gaben. Beobachter spekulierten über einen Wettbewerb unter den Schweizer Spitälern.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie Max Mosley sich wehrt.

Über die Boulevardisierung aller Medienformate wird gern geklagt. Richtig ist, dass weltweit die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Leben immer mehr verwischen. Manchmal passiert das auch, weil Prominente sich selbst privat-öffentlich inszenieren. Der jetzt von Mosley angerufene Europäische Gerichtshof hatte 2004 im Fall der Prinzessin Caroline von Hannover klar gemacht, dass auch so genannte Personen der Zeitgeschichte eine Privatsphäre haben können, die geschützt werden muss.

Das Urteil hat die deutsche Rechtsprechung verändert. Im März stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner "Caroline-II-Entscheidung" sehr klar, dass purer Voyeurismus oder blanke Neugier die Verletzung der Privatsphäre nicht rechtfertigen können.

Kampf gegen deutsche Medien

Der Fall des streitbaren und finanziell kräftigen Mosley hinterlässt auch in Deutschland Spuren. Die Hamburger Anwältin Tanja Irion vertritt die Interessen des ehemaligen Rennfahrers im deutschsprachigen Raum, und sie hat in dieser Sache mittlerweile fünfundvierzig einstweilige Unterlassungsverfügungen gegen deutsche Medien vor Gericht erwirkt. Hinzu kommt noch einmal die gleiche Anzahl außergerichtlicher Unterlassungsverpflichtungs-Erklärungen. Einige Fälle laufen noch. "Es ist immer wieder erstaunlich, dass große Medienhäuser nur eingeschränkt recherchieren: im Fall Mosley überhaupt nicht", stellt die Anwältin fest.

Vor allem legt sich Mosley in Deutschland mit dem Springer Verlag an. Im Juni hat er bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige gegen vier Mitglieder des Springer-Vorstands einschließlich des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, Chefredakteur Kai Diekmann sowie eine Vielzahl weiterer Personen gestellt. Die Vorwürfe: "Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Untreue, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Verletzlichkeit des Wortes und andere in Betracht kommende Delikte".

Bild und Bild Online hatten große Artikel und auch Fotos über den Fall unters Volk gebracht. Mosley verlangt darüber hinaus Schadenersatz in Höhe von einer Million vom Verlag und 500 000 Euro von Bild Online. Springer weist alle Vorwürfe zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen mehr als 20 Springer-Mitarbeiter. Einige von ihnen werden erst in den nächsten Tagen erfahren, dass sie Beschuldigte sind.

© SZ vom 8.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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