Schauspieler-Protest:Göthes Zorn

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Vom Umgang der Kammerspiele mit Gästen aus der freien Szene

Von Petra Hallmayer, München

Es hatte sich so schön angehört. Er werde, hatte Matthias Lilienthal versprochen, die Tür der Kammerspiele für die freie Szene weit öffnen. Inzwischen aber ist Ernüchterung eingekehrt. Jetzt haben Künstler des Münchner Theater-Netzwerkes Göthe Protokoll ihre Enttäuschung und ihre Wut auf der Bühne publik gemacht. Mit "Palmyra", dem dritten Teil der Reihe "The Rest and the West", fand eine hoffnungsvoll begonnene Zusammenarbeit ihr trauriges Ende.

Nach dem erfolgreichen Gastspiel "Ostwind" in den Kammerspielen hatte Lilienthal Göthe Protokoll eingeladen, dort mit Hilfe eines Dramaturgen eine Veranstaltungsreihe zu entwickeln. Tatsächlich jedoch beschlich die Künstler bald schon das Gefühl, nur als Konzepterfüller zu dienen. Keiner schien sich wirklich für ihre Arbeit zu interessieren. Verabredungen, so Berivan Kaya, wurden nicht eingehalten, ein Proberaum stand nicht zur Verfügung, und der Dramaturg verließ demonstrativ eine ihrer Vorstellungen. Die Szene stellte Göthe Protokoll in der Kammer 3 nun karikierend nach und ließ dabei einen Dramaturgen-Darsteller mit dem Ausruf "Das war das Schlechteste, was ich jemals erlebt habe!" türenknallend abrauschen.

Dass Künstler dergleichen als Affront empfinden, ist verständlich. Ein Theater sollte vor der Premiere klären, ob es eine Produktion vertreten kann. Falls nicht, gehört sie abgesetzt. Dafür aber muss man vorab die eigenen Qualitätsansprüche und künstlerischen Kriterien deutlich machen. Ein schlüssiges Konzept jedoch, warum welche Performance präsentiert wird, ist in dem bunten Vielerlei des Kammerspiel-Programms oft nicht erkennbar. Wenn kleine Gruppen in einem großen Haus so lässig missachtet nebenher mitlaufen dürfen, ist niemandem damit geholfen. Berivan Kaya, Tuncay Acar und Peter Arun Pfaff wollten dies nicht stillschweigend hinnehmen. Das ist mutig und richtig. Doch wer seinen Zorn äußern möchte, muss das in überzeugender Form tun. Der Versuch, in eine spannende Debatte über die Zerstörung von Kulturstätten durch den IS satirische Intermezzi über theaterinterne Probleme einzubauen, misslang kläglich. Zwischen den klugen Ausführungen der Archäologin Adelheid Otto und des Soziologen Erol Yildiz wirkten die albernen Theatereinlagen, in die Göthe Protokoll seine Frustration verpackte, störend und deplatziert. Da verpufft jede Kritik. Dabei wäre eine Diskussion über den künstlerischen und menschlichen Umgang der Kammerspiele mit freien Gruppen durchaus geboten.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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