Schauburg:Theater ohne Theater

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Andeutungen müssen genügen - nicht nur, was das Bühnenbild anlangt: Beat Fähs Inszenierung der " Entdeckung der Langsamkeit" ist Minimalismus pur. (Foto: Digipott)

Beat Fäh inszeniert Sten Nadolnys Bestseller "Die Entdeckung der Langsamkeit" atmosphärisch hinreißend, aber mit allzu spartanischen Mitteln

Von Petra Hallmayer

Tranfunzel!", "Schnecke!", "Schlafmütze!", tönt es von allen Seiten. Dieser John, der keinen Ball fangen kann, ist wirklich unmöglich. Eigentlich taugt er nur zu einem: als perfekter Schnurhalter. Stumm steht er da, den Arm beharrlich in die Luft gereckt, während seine Mitschüler um ihn herumtrippeln, ihn hänseln und verhöhnen. Doch just dieser "Langweiler" wird in Sten Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" zu einem berühmten britischen Seefahrer und Nordpolforscher.

Der preisgekrönte Bestseller von 1983, den Beat Fäh nun für Zuschauer ab 13 Jahren inszeniert hat, ist ein wunderbarer Stoff für Heranwachsende. Nadolnys fiktive Version der Biografie des 1847 in der Arktis umgekommenen John Franklin enthält eine schöne Botschaft für alle vermeintlichen Versager: In jeder Schwäche steckt auch eine Stärke. Gerade aufgrund seiner Langsamkeit verfügt John über besondere Fähigkeiten: Sorgfalt, Ausdauer, einen genauen Blick für Details und ein fantastisches Gedächtnis.

Beat Fähs zurückhaltende Inszenierung rückt nicht Franklins Abenteuer und Expeditionen ins Zentrum, sondern die Kernaussage von Nadolnys Buch. Der Regisseur nimmt sich viel Zeit, um die schmerzlichen Erfahrungen des jungen John zu verdeutlichen und lässt sie schließlich in eine pädagogische Schlussfolgerung münden: "In der Schule müssen Abteilungen für schnelle und für langsame Schüler eingerichtet werden", erklärt Johns Förderer.

Beinahe den ganzen Abend steht Greulix Schranks John in der Schauburg stumm und mit weit aufgerissenen Augen im Abseits, ein Fremder, der in der an ihm vorbeirasenden Welt nie wirklich heimisch wird. Auf der bis auf schlichte große Bogen, die die Schiffe symbolisieren, leeren Bühne schildern sechs Schauspieler, darunter "ein engagierter Gedankenleser", "ein genauer Beobachter" und ein "verständnisvoller Helfer", in der dritten Person die Geschichte des ewigen Außenseiters, begleitet von Klangkompositionen (Taison Heiss) und Tanztheater-Anleihen. Marcus Campana, Thorsten Krohn, Nick-Robin Dietrich, Peter Wolter, Lucca Züchner und Regina Speiseder sind tolle Erzähler und schaffen es immer wieder, eindrucksvoll Stimmungen zu erzeugen. Wir sehen einige richtig feine Szenen: Bei Johns ersten zaghaften Erkundungen der Liebe fährt er sacht mit dem Finger über die Geige des Mädchens und schnuppert an ihrem Arm und ihrem Nacken. Wenn die Seeschlacht tobt, flöten, tröten und trommeln die Akteure herrlich auf, und bei der Arktisexpedition schaukeln sie sich an den stilisierten Schiffen hoch hinauf. Über weite Strecken jedoch beschränkt sich die Aufführung auf eine Nacherzählung des Romans, und irgendwann wirkt ihr spielerischer und visueller Minimalismus ein wenig ermüdend.

Dass Beat Fäh Sten Nadolnys Hommage an die Langsamkeit in einer temposüchtigen Zeit nicht in ein Actionspektakel und Bildergewitter verwandeln wollte, leuchtet ein. Aber ein bisschen mehr Bühnenzauber, etwas mehr Theater hätte man sich im Theater dann doch gewünscht.

Die Entdeckung der Langsamkeit , Samstag, 17. Oktober, 19.30 Uhr, Schauburg, Franz-Joseph-Str. 47

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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