3Sat: Thementag Latein:Verhüten auf Lateinisch

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Sie sprechen es aus: 3sat zeigt die "Kulturzeit" in Latein. Ohne Latein-Lehrer und Priester, dafür lebendig und geschmeidig.

Hermann Unterstöger

An der lateinischen Front ist es derzeit ruhig. Der finnische Rundfunk lässt wissen, dass seine altsprachlichen Nachrichten, die Nuntii Latini, wegen der Sommerferien für drei Monate unterbrochen werden, und die Latein-Redaktion von Radio Bremen gönnt sich aus diesem Grund ebenfalls eine längere Pause, nicht ohne ihre Fans zu grüßen: "Redactores vos salvere iubent."

Et tu, Andrea? Moderatorin Frau Meier spricht eigentlich gar kein Latein. (Foto: Screenshot: www.3sat.de)

Nur bei Radio Vatikan sind die Lateiner auf dem Posten. Ihre jüngsten Nachrichten befassen sich beispielsweise damit, dass Kardinal Renato Raffaele Martino vor einem Verbot des Bettelns in den Innenstädten warnt, "de vetito mediis urbibus mendicandi praemonuit".

Umso prächtiger entfaltet sich in dieser Flaute der Thementag Imperium Romanum, den 3sat an diesem Wochenende veranstaltet. Er beginnt am Samstag um 6 Uhr mit einem Film über Rom, das Herz besagten Imperiums, und endet am Sonntag um 6 Uhr mit einer Wiederholung der völlig in Latein gehaltenen Kulturzeit extra, die schon am Samstag um 19.20 Uhr zu sehen ist. Um die thematische Weite anzudeuten, so reicht das Angebot von den Römerstraßen über die Wassertechnik im antiken Wien bis hin zu dem Spielfilm Quo vadis? von 1951, in dem Peter Ustinov einen ausgesucht fiesen Kaiser Nero gibt.

Wer nun befürchtet, die Kulturzeit extra könnte von einem Lateinlehrer oder gar einem Pfarrer moderiert werden, der kann sich beruhigen. Moderatorin ist die bei 3sat bestens bekannte Andrea Meier, die weder über das kleine noch über das große Latinum verfügt, dafür im Italienischen sowie im Rätoromanischen bewandert ist und aus diesem Grund ein Latein von so viel südländischer Selbstverständlichkeit präsentiert, dass sie als Muttersprachlerin durchgehen könnte. Bei den anderen Sprechern verhält es sich sehr ähnlich, was als Verdienst wohl dem Lateinerteam von der Uni Mainz zuzurechnen ist, das unter Leitung von Christine Walde die Übersetzungen verfertigt hat.

Quod dicere licet, non uti

Ein weiteres Thema, Brot und Spiele, ist so alt wie neu. Da reichen Rom und China sich über die Jahrtausende hinweg die Hand, auch in der von dem Sportphilosophen Elk Franke geäußerten Vermutung, dass das sportliche Ereignis selbst inhaltsleer sei - "eventus ludorum inanis est" - und für andere Zwecke als Vehikel dienen müsse.

Letzte Station ist der Vatikan, wo das Lateinische immer noch die Amtssprache ist und wo ein Spezialistengremium den Ehrgeiz hat, für heutige Wörter lateinische Äquivalente zu bilden, etwa "helicopterorum portus" für Hubschrauberlandeplatz. Oft reicht es auch, wenn man tief in die Antike zurückgreift, beispielsweise zu Plinius dem Älteren, der in seiner Naturgeschichte die Vokabel "atocium" (Verhütungsmittel) verwendet. Dazu heißt es in der Sendung süffisant, dass man das sagen dürfe, aber nicht verwenden, "quod dicere licet, non uti".

Die Kulturzeit extra trägt den Titel "O Tempora!" Das ist die Hälfte des Ausrufs "O tempora, o mores", mit der Cicero in seiner berühmten ersten Rede gegen Catilina den Verfall der Sitten beklagt, doch geht es in der Sendung keineswegs um so ein Lamento, sondern im Gegenteil darum, die Schönheit und Lebenskraft des Lateinischen zu rühmen.

Auferstehung der toten Sprache

Üblicherweise rechnet man Latein ja unter die "toten Sprachen", was insofern stimmt, als die alten Römer dahingegangen sind. Das Lateinische ist indessen auf vielfältige Art am Leben geblieben, und wie geschmeidig es nach wie vor ist, hört in der Sendung selbst der Laie.

Diese Lebendigkeit bewährt sich bei den unterschiedlichsten Sujets. So zum Beispiel ist der erste Komplex der Mittelmeerunion gewidmet, mit der das "Mare nostrum" (Nicolas Sarkozy) wieder ins allgemeine Bewusstsein gerückt wurde, einer Union freilich, von der manche glauben, sie sei eine Seifenblase, "fragilem esse", wie das in lateinischer Bündigkeit heißt. Robert Harris, der am zweiten Teil seiner Cicero-Trilogie arbeitet, äußert sich, unter anderem im Hinblick auf Barack Obama, über die Aktualität Ciceros. Tina Mendelsohn dankt ihm am Ende artig für das Interview, was auf Latein so klingt: "Maximas gratias ago pro sermone habito", und Harris sagt ebenso artig: "Gern geschehen" respektive "Immo vero".

© SZ vom 23.08.2008/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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