Sarkozy und die Medien:Sonst hole ich meinen Bruder

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Sarkozys mächtige Industriellenfreunde und sein Bruder Guillaume beeinflussen skrupellos Zeitungen und Fernsehsender: Frankreichs Presse fehlt Distanz zur Politik - der Streitkultur schadet das nicht.

Franziska Brüning

Ein klarer Fall: Frankreich ist wieder ein Hofstaat, Nicolas Sarkozy spielt den König und die Journalisten scharwenzeln wie Lakaien um ihn herum. Seit den Wahlkampfwochen vor den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2007 ebbt die Empörung über das enge Verhältnis zwischen Macht und Medien in Frankreich nicht ab. Dabei prägen freundschaftliche Bande zwischen Politikern und Journalisten seit jeher die französische Republik - die ganze Medienschelte ist deswegen nicht viel mehr als lautes Schlagen auf leere Töpfe. Noch nie fehlte es nämlich in Frankreich an lebhaften Kontroversen, für die allein schon die engagierten Intellektuellen in der Presse sorgten.

Grand frère is watching you: Guillaume Sarkozy vor einem Wahlkampfplakat seines Bruders Nicolas. (Foto: Foto: Getty)

Die Indizien sprechen auf den ersten Blick gegen die Existenz einer Kritikkultur im Nachbarland. Wieder zittern Mitarbeiter der angesehenen Tageszeitung Le Monde um ihren linksliberalen Ruf, seit Guillaume Sarkozy, der Bruder des Präsidenten, in den Aufsichtsrat der Zeitung strebt. Anderswo üben Sarkozys mächtige Industriellenfreunde Arnaud Lagadère, Bernard Arnault und Martin Bouygues skrupellos Einfluss auf die vielen Zeitungen und Fernsehsender aus, die ihnen gehören. Sind französische Journalisten deswegen handzahmer?

Tatsächlich waren Politiker und Journalisten in Frankreich schon immer eng miteinander vernetzt. Während der Blütezeit der französischen Presse von 1871 bis 1940 arbeiteten bedeutende Politiker und Abgeordnete wie André Tardieu, Léon Blum und Edouard Herriot selbst während ihrer Amtszeit für große Zeitungen. Alle Parteien und teilweise sogar einzelne Ministerien besaßen ihr persönliches Sprachrohr in den Medien.

Damals gaben angesagte Tageszeitungen wie Le Petit Parisien oder Le Temps ungefiltert Ansichten des Außenministeriums oder führender Wirtschaftskräfte an ihre Leser weiter. Selbst politische Kommentare und Analysen wurden direkt von Parlamentariern oder Diplomaten geschrieben. Die Demokratie und ein waches politisches Interesse der Bevölkerung gefährdete das einstweilen nicht - während sich überall in Europa Diktaturen etablierten, widerstand die Mehrheit der Franzosen bis zum deutschen Einmarsch im Jahr 1940 jedem politischen Extremismus.

Die intensive Bindung zwischen Staat und Medien ist auch für die Fünfte Republik prägend geblieben, wobei sich Sarkozy mehr als seine Vorgänger der Macht der Bilder bewusst ist. Ihm kommt dabei ein grundsätzliches Problem der französischen Presselandschaft zupass: die geographische Nähe von Macht, Medien und Geist in Paris. Die meisten Politiker und Journalisten haben sogar die gleichen Universitäten oder Grandes Ecoles besucht, durch die alle Eliten des Landes geschleust werden.

Entscheidend für die politische Wachsamkeit im Land ist ein grundsätzliches Misstrauen der Bürger und Journalisten gegenüber Politikern, das regelmäßige Umfragen immer wieder belegen. Nicht ohne Grund sind Ironie und hintergründiger Humor beliebte journalistische Stilmittel in Frankreich. Viele Kommentatoren, darunter bekannte Radio-Moderatoren wie Jean-Michel Aphatie von RTL und Nicolas Demorand von France Inter, verpacken so subtil scharfe Kritik.

Am 7. Januar trieb Aphatie beispielsweise den Sozialisten Jack Lang an den Rand eines Wutanfalls. In einem hintersinnigen Wortwechsel unterstellte Aphatie Lang zunächst, er wäre am liebsten - genau wie sein sozialistischer Kollege und Außenminister Bernard Kouchner - Mitglied der konservativen Sarkozy-Regierung, am Ende bezeichnete sich Lang hilflos als ihr" vielleicht sogar einziger Gegner". Worauf Aphatie das Interview spöttisch abschloss: "Ah!...Jack Lang, der der beste Oppositionelle in Frankreich ist. Er hat das auf RTL gesagt, der Sender, der den Tiger in ihm geweckt hat."

Kritik ist in Frankreich tatsächlich traditionell sehr feinsinnig, das beweist auch die noch immer existierende Begeisterung für Karikaturen in der Presse. Regelmäßig diskutieren die Zeitungen Le Monde Diplomatique, Libération, Charlie Hebdo, Télérama und Marianne, sowie Radiosender wie France Culture und France Inter über den vertrauten Umgang von Politikern mit Medienvertretern. Die satirische Wochenzeitung Le Canard Enchaîné rechnete in einem Sonderheft mit den Lakaien der eigenen Zunft ab - auch mit Christine Ockrent, Journalistin des TV-Senders France 3, die eine besonders enge Beziehung zur Politik pflegt: Sie ist die Lebensgefährtin von Minister Kouchner.

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