Sarkozy und die Medien:Liegt Paris in Nordkorea?

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Nicolas Sarkozy greift massiv ins öffentliche Fernsehen ein, und Frankreichs Presse ist empört. Begründete Angst oder Panikmache? Der Präsident schweigt.

Michael Kläsgen

Die Tageszeitung Libération nennt es "France Sarkovision", der Chefredakteur des Wochenblatts Nouvel Observateur glaubt, Frankreich nähere sich den Verhältnissen in Nordkorea an.

Sagt den Medien wo es langgeht: Nicolas Sarkozy. (Foto: Foto: AP)

Doch Nicolas Sarkozy ficht das nicht an: Gegen alle Kritik sogar aus den eigenen Reihen will der französische Präsident, dass künftig die Regierung, also er persönlich, den Chef des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, France Télévisions, ernennt.

Diese Ankündigung drängte die Nachricht in den Hintergrund, dass Sarkozy auch das Werbeverbot ab 20 Uhr bei France Télévisions auf Anfang 2009 vorzog. Von Januar 2012 an soll Werbung ganz aus dem öffentlichen Fernsehen verschwinden.

Auch in Deutschland wird immer wieder über ein solches Verbot diskutiert. Frankreich will die Einnahmeausfälle einerseits durch eine Steuer von 0,9 Prozent auf die Umsätze der Festnetz-, Mobil- und Online-Anbieter ersetzen; andererseits die Werbeeinnahmen von Privatsendern mit einer Abgabe von drei Prozent belegen.

Das Schweigen des Nicolas

Die Kompensation der Einnahmeausfälle ist aber keineswegs gesichert. Brüssel sprach sich gegen die Internetsteuer aus, und die Anbieter fühlen sich diskriminiert. Ihre Umsätze hätten mit Fernsehen nichts zu tun.

Die Privatsender ihrerseits wehren sich dagegen, dass sie die Konkurrenz alimentieren sollen. Für France Télévisions sei die Rundfunkgebühr da. Mit 116 Euro im Jahr ist diese eine der niedrigsten in Europa. Zum Vorschlag der Reform-Kommission, diese entsprechend der Lebenshaltungskosten steigen zu lassen, schwieg Sarkozy.

Das Werbeverbot hatte er Anfang Januar aus dem Hut gezaubert und damit eine langjährige Forderung der Linken aufgegriffen. Anfangs war die Opposition hin- und hergerissen. Sarkozy gab vor, es gehe ihm um Qualität, er wolle France Télévisions zu einer BBC à la française umbauen. Jetzt bangt Frankreich zum x-ten Mal seit Sarkozys Wahl um die Unabhängigkeit der Medien.

Die Reform gilt als Rückschritt hin zum Staatsfunk von vor 40 Jahren. Der Zentrumspolitiker François Bayrou warnt, Sarkozy wolle "das Fernsehen unter seine Kontrolle bekommen".

Aurélie Filipetti, Fraktionssprecherin der Sozialistischen Partei, fürchtet, es werde künftig keine regierungskritischen Nachrichten mehr geben. Tatsächlich ist erst vor zwei Wochen ein Freund Sarkozys zum Chef der Politikredaktion des größten Privatsenders TF1 ernannt worden, der dem Trauzeugen Sarkozys, Martin Bouygues, gehört.

Zum gleichen Zeitpunkt teilte TF1 mit, den langjährigen Nachrichten-Moderator Patrick Poivre d'Arvor abzusetzen. Er hatte Sarkozy in einem Interview indirekt als "kleinen Jungen" bezeichnet.

Vetternwirtschaft

TF1 hatte Sarkozy das Werbeverbot im Dezember 2007 vorgeschlagen, wie ein internes Papier dokumentiert. Wegen des Internet-Fernsehens brechen den Privaten die Werbeeinnahmen weg. Vom Verbot profitieren sie bereits. Viele Werbekunden buhlen schon um die verbleibenden Sendeplätze. Und es gibt noch eine zweite gute Nachricht für sie: Sarkozy entschied, dass die Privaten bald öfter und länger werben dürfen.

Kulturministerin Christine Albanel hält die Kritik übrigens für "absurd". Wenn der Chef von France Télévisions ernannt werde, hole man die Meinung der Aufsichtsbehörde CSA ein, die ihn bislang bestellte, und das Parlament könne mit Zweidrittel-Mehrheit Einspruch erheben. "Es gibt überhaupt kein Risiko der Einflussnahme."

© SZ vom 27.06.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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