Saisonvorschau:"Katzelmacher" vs. Pegida

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Christian Stückl über das Programm und den Viehhof

Von Rita Argauer, München

Christian Stückl grinst über einer aufgeschnittenen Wurst. Quasi als Speckeinlage ziert das Gesicht des Intendanten des Münchner Volkstheaters den Titel des Hefts zur neuen Spielzeit; eine Annäherung des Theaters an seinen künftigen Standort auf dem Viehhof im Schlachthofviertel. Denn dort soll das Theater 2020 aller Voraussicht nach von Stückl eröffnet werden. Denn der hat auch vor, dem Theater noch so lange treu zu bleiben. Doch das sei alles noch "Zukunftsmusik", wie er in der Pressekonferenz zur neuen Spielzeit sagt, denn ganz real spielt man noch in der Brienner Straße.

Während sich das Spielzeitheft Volksmund mit dem Lokalkolorit des Schlachthofviertels schmückt, herrschen in der Brienner Straße ganz andere Probleme. Dort nämlich demonstriert die Pegida Montags regelmäßig. Und Stückl, der zwar die Meinungsfreiheit "natürlich schätzt", aber durchaus ein Problem mit dem fehlenden Anstand in den Forderungen dieser Gruppierung habe, reagiert mit dem Programm nun ganz konkret auf diese diffusen Ängste vor dem Fremden. Am Montag, 14. September gibt es eine "München ist bunt"-Gegendemonstration, und die angekündigten Premieren antworten konstant über die Saison hinweg darauf. Etwa die Inszenierung von Fassbinders "Katzelmacher", die der neuernannte junge Hausregisseur Abdullah Kenan Karaca im März als seine Bachelor-Inszenierung (er studiert im vierten Jahr Regie in Hamburg) auf die Bühne bringen wird. "Das Fremde rüttelt auf", sagt der, diese vermeintliche Bedrohung, die auch Fassbinder thematisierte, sei in Europa gerade wieder aktueller denn je.

Dass die aktuelle Reaktion eines Theaters auf die gesellschaftliche Realität nötig und gefragt sei, wurde für Stückl auch in der letztjährigen Inszenierung von "Nathan der Weise" klar: Das Stück, das er aufgrund der antimuslimischen Erfahrungen, die er zuvor in Indien gemacht habe, auf den Spielplan gesetzt hatte, hatte mit 21 000 Zuschauern eine Auslastung von 100 Prozent. Das Volkstheater verzeichnet sowieso gute Zahlen, die vergangene Spielzeit war zu 85 Prozent verkauft, ein Drittel des Publikums waren Schüler und Studenten. Zahlen, die Kulturreferent Hans-Georg Küppers sichtlich glücklich stimmen und in der Entscheidung bestätigen, als Stadt dem Theater ein neues Haus zu bauen. Etwas, das, wenn man in den Rest der Republik schaue, durchaus nicht die Regel sei, wie Küppers stolz verkündet.

Doch natürlich sei es wichtig, dass sich das Theater am neuen Standort - an dem man auch gleich die Pressekonferenz abhielt - gut integriere. Damit nimmt Stückl Bezug auf eine Unterschriftenaktion, es werde gefürchtet, die freie Kultur, die dort mit dem Freilichtkino, dem Nachtbiergarten oder dem Wagenpark gegenüber herrscht, könnte verdrängt werden.

Integration schafft das Theater in der Spielplangestaltung in vielerlei Hinsicht. Es findet sich kein klassischer Dramentext mehr, stattdessen gibt es zur Eröffnung am Donnerstag, 24. September, "Sein oder Nichtsein" in der Regie von Mina Salehpour nach dem Film von Ernst Lubitsch, Stückl selbst widmet sich Dostojewskis "Schuld und Sühne" (obwohl er eigentlich überhaupt kein "Romanadaptions-Mensch" sei), und Jessica Glause inszeniert Lewis Dartnells dystopisches Sachbuch "Das Handbuch für den Neustart der Welt". "Eigentlich braucht man zwei Reclam-Heftl im Jahr, damit die Schulklassen kommen", erklärt Stückl, doch in Absprache mit den Regisseuren seien diesmal eben zehn Produktionen ohne Lehrplan-Dramatik herausgekommen: "Es ist wichtig, dass sich die Regisseure für ihr Thema interessieren, dann interessiert es mich auch".

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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