Sabine Christiansen in der ARD:Die Schlacht mit den Dämonen der Vergangenheit

Lesezeit: 2 min

Sabine Christiansen verunglückt mit dem sensiblen Thema der Haftentlassung von Terroristen - da hilft auch Volkes Votum nicht.

Hans-Jürgen Jakobs

Gut neun Jahre hat Sabine Christiansen fast jeden Sonntagabend Furchen auf dem Acker des politischen Lebens gezogen, und nicht wenige Male dachte der Zuschauer, jetzt sei es genug der vergeblichen Früchte-Einbringung.

Michael Buback, der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts bei 'Sabine Christiansen ' in Berlin (Foto: Foto: dpa)

In diesem Sommer zieht sich die Grande Dame des deutschen Talkshow-Wesens tatsächlich zurück. Doch die Gefahr ist groß, dass sie bis dahin - völlig losgelöst - noch einige journalistische Standards niederreißt und einen Flurschaden hinterläßt.

An diesem Sonntag diskutierte sie mit ihren Gästen über die Zukunft der RAF-Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, und ob es Gnade für gnadenlose Mörder geben dürfe. Aber was heißt schon disktutieren? Hier floß alles zusammen, was das Thema Mord so hergibt: Der RAF-Schrecken, al Qaida und der Djerba-Anschlag, der Krankenhausmörder von Sonthofen.

Gleich drei emotional sehr beteiligte Personen saßen in Christiansens Gnadengericht: Michael Buback, der Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts; Michael Esper, ein Opfer des Djerba-Grauens; Bettina Röhl, Tochter der RAF-Mitgründerin Ulrike Meinhof.

Mahner des Rechtsstaates

Sie haderten, mehr oder weniger, mit dem deutschen Rechtssystem und der anstehenden Haftentlassung von Mohnhaupt und Klar. Argumentativ war Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) auf seiner Seite.

In dieser von Gastgeberin Christiansen geschaffenen Gruppierung war Gerhart Baum, der frühere Bundesinnenminister in bleierner Zeit, mit seinen verfassungsrechtlichen Betrachtungen auf ziemlich einsamen Posten.

Ein im Laufe der Sendung immer verzweifelter werdender Mahner des Rechtsstaates, der wollte, dass auch Mörder vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Moralische Hilfe bekam er nur von Abtprimas Notker Wolf, der darauf hinwies, man müsse auch loslassen von der Vergangenheit, weil sich der Mensch so befreien könne.

Aber wollte das die Fernsehfrau Christiansen hören? War das nicht schon viel zu kompliziert? Sie insistierte erkennbar auf den immer gleichen Fragen: Wollen die Opfer Rache? Bereuen die Täter? Während der Sendung ließ sie abstimmen, ob Mohnhaupt und Klar vorzeitig aus der Haft entlassen werden sollen - und Volkes Stimme war so, wie zu erwarten war nach dieser Debatte. 91 Prozent stimmten mit: "Nein".

Bankrotterklärung des Journalismus'

Wenn Christiansen gefragt hätte, ob für Terroristen die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollte, hätten vermutlich 91 Prozent dafür gestimmt.

Ein solch sensibles Thema in dieser Form an einem populären Sendeplatz aufzubereiten, ist eine Bankrotterklärung des Journalismus'. Jeder weiß, dass es hier aufzuklären gilt, dass Informationen zu vermitteln sind, nicht nur Emotionen.

Ex-Minister Baum, der die Terroristen einst jagte, kam nicht durch mit seinen Ausführungen, es gebe in Deutschland faktisch kein "Lebenslänglich", da auch Täter in der Regel resozialisiert werden sollen - auch nicht mit dem Hinweis, dass Brigitte Mohnhaupt ihre 24-jährige Mindeststrafe abgesessen hat.

"Vorzeitig"? Auch der Bundesanwalt beantragt die Haftentlassung Mohnhaupts. Über eine Begnadigung von Klar, der noch zwei Jahre im Gefängnis bleiben müsste, befindet der Bundespräsident, beraten vom Gutachter. Warum wartet Sabine Christiansen das nicht ab? Warum will sie vorher ein Votum, das die Diskussion nur noch mehr aufheizt?

So macht der Kommunismus Spaß

Wahrscheinlich will sie einen quotenstarken Quotenabgang. Dafür läßt sie die Dämonen der Vergangenheit in ihr Studio, auf dass es alle graust vor den Kugeln von damals. So viele Dämonen verderben das Denken, und ein Maximum an Selbsttäuschung offenbarte die Journalistin Röhl, die in ihrer lautstarken Art feststellte, dass die gesellschaft von der RAF nicht loskomme - und dann auf Baums Einwand, sie habe doch selbst darüber geschrieben, antwortete, es handele sich um ein Buch über den Kommunismus.

Wenn`s der Wahrheitsfindung dient: Das Werk heißt "So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret`. So viel Aufklärung muss sein.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: