"Sabine Christiansen" in der ARD:Alles gut mit Knut

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Der Aufschwung ist da - und eigentlich heißt er so wie ein Eisbärbaby im Berliner Zoo. Die tierliebe Sabine Christiansen ließ über Knut und die Wirtschaft diskutieren - und Gabriele Pauli war auch da.

Hans-Jürgen Jakobs

Ja, es war der 1. April. Nein, es war kein Aprilscherz, dass Sabine Christiansen in der ARD über "Aufschwung, Sonne, Knut - geht`s uns wirklich wieder gut" diskutieren ließ. Star einer solchen Sendung, die einmal eine politische Talkshow sein wollte, war natürlich das berühmteste Eisbärbaby der ganzen Welt, weshalb auch Zehntausende, ja Hunderttausende zu Gast bei Freunden im Berliner Zoo sind.

Sabine Christinsen: Der Aufschwung ist da (Foto: Foto: AP)

Der kleine süße Knut wurde bei Sabine Christiansen am Sonntagabend ausgiebig gezeigt, sein Tierarzt durfte Auskunft geben und die tierliebe Moderatorin grüßte ihn sogar. Leider wird Knut, wenn er einmal erwachsen ist, vermutlich trotzdem nicht Platz nehmen auf einem der Stahlrohrstühle in einer der Shows von Frau Christiansen.

Die ARD-Lady hatte sonnenbeschwingt auch Gabriele Pauli zu sich geladen, jenes Vorstandsmitglied der katholisch festen CSU, die mit einigen Zeitschriften-Fotos die Republik überrascht hat. Sie ist da ja bekanntlich mit Latexhandschuhen und Perücke zu sehen, weshalb manche in der CSU die zunehmend völlig losgelöst handelnde Selbstdarstellerin nicht mehr in ihrem Kollektiv haben wollen. Bei Sabine Christiansen erklärte Gabriele Pauli wiederholt, sie sei überrascht, welche Fantasien Handschuhe bei einigen auslösen könnten - als habe sie das nicht vorher geahnt. So ein Foto-Shooting mache vielen Frauen Spaß, sagte Pauli, das sei "etwas Nettes".

Zu Fragen des wirtschaftlichen Aufschwungs konnte sie nicht sehr viel aus ihrem Landkreis Fürth beisteuern. Und als sie am Schluss über ihre Zukunft gefragt wurde, erzählte die Landrätin von Bauinvestitionen in Fürth. Auf Nachfrage klärte sie dann auf, da zu wirken zu wollen, "wo das Schicksal sie hinstellt".

"Weltmeister im Wehklagen"

Zur Sache konnte es bei dem Generalthema der Show und der illustren Diskutantenschar kaum gehen, was aber nicht unbedingt Schicksal war. Sahra Wagenknecht von der Linkspartei - ihre Rolle: die zornige junge Frau - klagte an, dass das Volk nichts vom wirtschaftlichen Aufschwung habe, sondern nur einige Manager profitierten. Da sie von der Moderatorin kaum gefragt wurde, giftete sie permanent in die Runde, was den langjährigen Unternehmensberater Roland Berger irgendwann zur Bemerkung brachte, dass die Wirtschaft auswandere, wenn ihr zu hohe Lohnabschlüsse zugemutet würde.

Für den "Grandseigneur der Berater" (Christiansen) haben der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und auch Altkanzler Gerhard Schröder gute Jobs gemacht, für ihn sind auch Manager wie Klaus Kleinfeld von Siemens wirklich so gut, dass sie in den USA gut das Vierfache verdienen könnten. Das war einmal ein schönes Lied auf die deutsche Elite, und in diesem Harmonieansatz wurde Berger ganz vom pastoralen ZDF-Journalisten Peter Hahne unterstützt, der predigte: "Es ist der Aufschwung von uns allen!"

Leider aber seien die Deutschen nicht nur Exportweltmeister, sondern auch "Weltmeister im Wehklagen". Hahne lag mit seiner Polemik über die angebliche "Armutslyrik" der Politikerin Wagenknecht auch in dieser Runde daneben, was er aber schnell merkte. Der Mann forderte wie immer die Besinnung auf Werte, was nie falsch ist.

Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, der inzwischen seinen roten V-Pullover selbstbewusster vor sich herträgt als sozialdemokratische Ur-Werte, verteidigte die Unternehmenssteuerreform der Großen Koalition, musste sich aber von Spiegel-Mann Gabor Steingart an das Wesen der SPD als "Volkspartei" und ehemalige Arbeiterpartei erinnern lassen. Diese SPD könnte mehr für ein Konzept tun, die vielen Steuerschlupflöcher in Europa zu schließen. Nötig seien internationale Lösungen und ein neuer Ordnungsrahmen, befand Steingart, der mal "drei Ursachen" und dann wieder "drei Fakten" ankündigte, bei der Aufzählung aber dann jedes Mal mittendrin gestoppt wurde, ohne dass sich jemand für den Rest interessierte.

Auch war der Landrat aus Brandenburg, der von Sabine Christiansen so angekündigt wurde, in Wirklichkeit ein Landrat aus Mecklenburg-Vorpommern, der sich dann über 25 Prozent Arbeitslosigkeit in seinem Distrikt beklagte. Es war ja auch vieles egal bei dieser Sendung. Es ging ja vor allem um die gefühlte deutsche Temperatur, auch um das Sommermärchen der Fußballer, um die Handball-WM und um den Oscar für uns. Wir sind wieder wer. "Der Aufschwung dauert bis 2010 an", rief Berger wie ein grauer Guru in die Runde.

Das alte Schmiergeld bei Siemens kann diesen neuen Aufschwung a la Christiansen nicht zerstören. Und es gibt ja Knut, die neue Heilsfigur der Deutschen. "Knut auf allen Kanälen", hat Sabine Christiansen ausgemacht, er habe sogar einen Bodyguard, sei auf der Titelseite der Times gewesen und die Politik ("einmalig") käme zu ihm in den Zoo.

Was soll, in toto, bei einer solchen April-Diskussion schon mehr herauskommen als sich ausbreitende Frühjahrsmüdigkeit? Knut wird in seinem Käfig einmal kräftig gegähnt haben.

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