Roger Schawinski:Der Mann an der Bar

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Wie der frühere Sat 1-Chef Roger Schawinski versucht, sich als Fels in der Brandung des Seichten darzustellen - und doch den üblichen Trash produzieren ließ.

Hans Leyendecker

Es gibt Tatmenschen, die imstande sind, mit der Gebärde eines Napoleon neun hölzerne Kegel umzuwerfen. Und das Sonderbare ist, dass die Umgebung sie wie den kleinen Korsen betrachtet. Der Schweizer Journalist Roger Schawinski, 62, ist ein geübter Tatmensch. Gut drei Jahre lang war er Geschäftsführer des Privatsenders Sat 1, bis er Ende 2006 seinen Posten räumte. In diesen Tagen wird so getan, dass mit seinem Weggang eines der letzten Originale der Fernsehwelt den Deutschen abhanden gekommen ist, ein Pionier, ein Künstler des semi-seriösen Journalismus.

Mit dem branchenüblichen Ballyhoo wird in diversen Blättern sein neues Buch "Die TV-Falle. Vom Sendungsbewusstsein zum Fernsehgeschäft" angekündigt. Der Leser erfährt ganz Neues, Unerhörtes: Über Großschauspielerinnen wie Alexandra Neldel (Verliebt in Berlin) und Schwergewichte wie den Tölzer Bullen Ottfried Fischer. Der Leser lernt (was er nie geahnt hat), dass Gerichtsshows billig produziert sind und das Leben eines Geschäftsführers hart ist. Fernsehen sei "trial and error", weiß Schawinski und lobt sein Werk, in dem "erstmals" beschrieben werde, wie "ein Senderchefs seine Stars hätscheln" muss. Solche Erkenntnisflut füllt die Feuilletons und spiegelt zugleich die sterile Aufgeregtheit des Medienbetriebs wider.

Normaler Trash

War der Schweizer ein journalistischer Fels in der Brandung des Seichten? Oder poltern hier hölzerne Kegel? Zu den ersten Aufklärungsarbeiten des Schweizers bei Sat 1 jedenfalls gehörte das Männer-Erziehungscamp "Kämpf um Deine Frau", das schnellstens floppte. Und dass Sat 1 gerade die von Schawinski geschaffene Informationssendungen abgeschafft oder amputiert hat, wurde als Kultur-Verlust beschrieben. Dabei waren die Programme überwiegend normaler Trash. Mit dem Fernsehen ist es bei Schawinski wie mit seinem Buch: Das Primäre ist Geplauder wie an einer Bar; das Sekundäre das "Worüber".

Mit dieser Methode hat er immerhin der Schweiz den privaten Rundfunk beschert. 1979 gründete er mit Radio 24 das erste Schweizer Privatradio. 1994 startete er mit Tele-Züri ins private Fernsehen, vier Jahre später dann mit dem mittlerweile eingestellten Tele 24. Im Dezember 2003 ging er als Geschäftsführer zu Sat 1 nach Berlin. Drei Schweizer Journalisten hatten in den letzten Jahren im deutschen Journalismus eine Führungsposition: Alle drei heißen seltsamerweise Roger. Der gebildetste und angenehmste war Roger de Weck, der eine Zeitlang Chefredakteur der Zeit war. Den Borderline-Mann gab Roger Köppel, der die Weltwoche nach rechts geführt hatte, für einige Zeit Chefredakteur der Welt war und dann wieder die Weltwoche übernahm. Die Welt hat er nicht verbessert. Schawinski ist von allen dreien der beste Verkäufer. Er glaubt womöglich seine eigene Legende.

Vor ein paar Wochen hat Roger Schawinski in einem Interview die Schweizer Öffentlichkeit jedenfalls auch noch wissen lassen, dass er in Deutschland als Sat 1-Geschäftsführer "bis zu achtmal pro Woche im Flieger gewesen" sei und dass "viele Journalisten die Legende verbreitet" hätten "gemäß der ich mir seit fünfzehn Jahren die Haare färbe". Das war dann vielleicht ja doch eine ganz neue Erkenntnis.

© SZ vom 21.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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