Rockkonzert:Geradlinig

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Feiert am 24. Dezember seinen 70. Geburtstag: Rock-Legende Lemmy Kilmister von Motörhead. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Seit Jahrzehnten rocken "Motörhead" schnörkellos die Bühne, allen voran Sänger und Bassist Lemmy Kilmister. Im Zenith merkt man dem bald 70-Jährigen einige Schwächen an. Bei den Hits kann man sich aber auf Bewährtes verlassen

Von DIRK WAGNER, München

Punkt 19 Uhr betreten Girlschool mit schrill tönendem Fliegeralarm und aufblendenden Suchscheinwerfern die Bühne im ausverkauften Zenith. Binnen einer rasanten halben Stunde feuern die Engländerinnen Hits aus ihrer vierzigjährigen Bandgeschichte ab, so man ihre Vorgeschichte als die 1975 gegründeten Painted Lady dazu zählt: Hits wie "C'mon Let's Go", "Kick It Down" oder "Emergency" greifen ineinander. Wo das zunehmende Alter männlichen Mitstreitern nur allzu oft das Rocker-Image versuppt, gleichen die Ladies immer mehr einer gefährlichen Gefängnis-Gang.

Solch rauer Auftritt lässt die nachfolgenden Saxon direkt etwas eitel erscheinen, wenn ihr Sänger Peter "Biff" Byford zur Bebilderung des Songs "Motorcycle Man" unbeholfen eine Jeansweste über seinen doppelreihigen Gehrock zwängt. Statt ihr im Oktober erschienenes Album "Battering Ram" vorzustellen, liefert auch diese zweite Vorgruppe von Motörhead hauptsächlich bewährte Hits.

Dann endlich besteigen der Sänger und Bassist Lemmy Kilmister, der am 24. Dezember siebzig Jahre alt wird, der Gitarrist Phil Campbell und der Schlagzeuger Mikkey Dee die Bühne, die sie als Motörhead in seit Jahrzehnten bewährter Art beinahe schnörkellos rocken. Nur hier und da verschafft Campbells Gitarrensolo oder Dees Schlagzeugsolo dem sichtbar geschwächten Kopf der Band kleine Verschnaufpausen. Letztes Jahr musste der personifizierte Rock'n' Roll-Lifestyle nämlich eine Herzoperation über sich ergehen lassen.

Der entsprechende Schongang danach heißt bei Lemmy: Wodka statt Whisky, weil der angeblich verträglicher ist. Auf den Festivals im Sommer hätte man ihm solchen behaupteten Schongang auch noch als wirkungsvoll abgenommen. Tatsächlich sieht er seitdem aber wieder um einiges schwächer aus, so dass der Hut dem Mann mit der markanten Mischung aus Schnauz- und Backenbart nun regelrecht auf den Ohren zu liegen scheint. Kurz wird noch dem heuer verstorbenen früheren Motörhead-Drummer Philthy Animal gedacht. Zugleich scheint ein stilles Übereinkommen darüber zu bestehen, dass Lemmy sich nicht zu sehr strapazieren sollte. Darum sieht man es ihm auch nach, dass die Greifhand oft nur noch schwach über die Saiten huscht, wo sie früher kräftig zulangte. Und auch sein markant heiserer Gesang darf ein wenig dünner ausfallen.

Solche altersbedingten Schwächen ändern nichts daran, dass Lemmy den Rock'n' Roll seit nunmehr vierzig Jahren geradezu verkörpert. Nie wäre er wie andere Rock-Legenden in Strumpfhosen und Föhnfrisuren über die Bühne geturnt. Sein Image war stets das des Ernst zu nehmenden Outlaws. Solche Geradlinigkeit drückt sich dann auch in der seit Jahrzehnten bewährten Hitfolge seiner Konzerte aus, die mit "When The Sky Comes Looking For You" einen einzigen neuen Song vom aktuellen Album "Bad Magic" duldet. Der Rest schießt erneut, von einem Fliegeralarm eingeleitet und begleitet von einer über die Bühne schwebenden B 52, einen Hit nach den anderen ab, von "Bomber" über "Ace Of Spades" bis hin zu "Overkill". Dazwischen noch eine Message des Outlaws an Politiker: "Nur weil ihr die Macht habt, habt ihr nicht das Recht."

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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