Rhythmus-Show:Auf den Putz hauen

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Alltagsmaterialien ihren Beat entlocken: Dominik Schad (zweiter v. l.) liebt es, mit vollem Körpereinsatz im Sound aufzugehen. (Foto: Steve McNicholas)

Vor 25 Jahren wurde "Stomp" in Brighton gegründet. Der Allgäuer Dominik Schad ist der einzige Deutsche in der Truppe und hat mit ihr die Welt bereist

Von Michael Zirnstein

Seit drei Jahren liegen in einem Garten im Allgäu fünf Becken eines Schlagzeuges vergraben. "Die sind jetzt bestimmt reif zur Ernte", sagt Dominik Schad. Wenn er mal wieder Zeit hat, will der 27-Jährige zu seinem Elternhaus fahren und die Bleche ausgraben. "Ich bin schon gespannt, wie die klingen - bestimmt erdiger", vermutet der schlank-dynamische Mann, "wenn ich die Bleche putze, verlieren sie etwas Material, ich stelle mir vor, dass sie dann obertonreicher schwingen." Und wenn er schon mal dort ist, kann er auch gleich neue Becken in den nahen Bach schmeißen - eine Investition in den Klang der Zukunft.

Man sieht: Dominik Schad ist kein gewöhnlicher Schlagzeuger, war er nie. Seit er in jenem Haus bei Wangen als Bub zu trommeln begann, entwickelte er eigene Klang- und Rhythmusvorstellungen und ein eigenes Drumset ohne Tomtoms (zum Glück gab es weit und breit keine Nachbar, er konnte üben, so viel er wollte). Und doch ging er erst einmal den üblichen Weg des Trommlers: "Ich war das klassische Kind, das auf allen Töpfen gespielt hat." Er fing in der Musikschule an, schloss sich "wie jeder Allgäuer" der örtlichen Kapelle an, spielte in Bands und Orchestern, hatte eine Vorliebe für Mathematik ("Rhythmus ist nichts anderes als die mathematische Ordnung von Zeit"), unterrichtete, studierte sieben Semester lang Musik.

Und dann wurde alles anders: Der Allgäuer wurde festes Mitglied bei der Rhythmus-Show "Stomp", der einzige Deutsche unter den weltweit etwa 100 Stompern. Hier lebt er seitdem seinen ganzen Bewegungsdrang und Spieltrieb aus. Das zeigte Schad neulich etwa bei einem kleinen Promotionauftritt in einem Münchner Biergarten: Da jagt er eine Kellnerin vor sich her, sie läuft rückwärts, beladen mit acht unterschiedlich gefüllten Maßkrügen, auf die er mit seinen Sticks klöppelt, so schwungvoll geht das im Zickzack, dass es die Kellnerin auf den Hosenboden setzt. Danach klopft er rhythmisch seinen eigenen Körper mit den Händen ab, schnipst mit einer Streichholzschachtel, springt mit scheppernden Mülltonnendeckeln in die Höhe, kehrt den Boden und tanzt mit dem Besen. Es ist für Schad die Erfüllung, denn Percussion ist für ihn nicht nur, eingezwängt hinter seine Apparatur in einer Band zu hocken. "Rhythmus ist Bewegung", das versucht er auch in Workshops zu vermitteln. "Wenn man sich in der Welt umschaut, gibt es zu jedem Rhythmus auch einen Tanz."

Als Schlagzeuger war Schad schon lange Fan von "Stomp", die "High-Energy-Rhythmus-Theatershow", wie er es nennt, die der Perkussionist Luke Cresswell und der Schauspieler und Sänger ( The Flying Pickets) Steve McNicholas vor 25 Jahren im englischen Seebad Brighton gründeten. Aus einer Straßenkünstler- und Festivalgruppe machten sie einen Dauerrenner am Broadway, im Londoner West-End und auf Tourneen über den ganzen Planeten. 2009 nach dem Abitur bejubelte Schad "Stomp" zum ersten Mal live in New York, "ich traute mich aber nicht daran zu denken, dass ich da dazu passe".

Dabei ist Hürde für den Einstieg gar so hoch. Das merkte er nach einem Gastspiel in Hannover, zu dem ihm ein österreichischer Mitstreiter bei einem Percussion-Ensemble eingeladen hatte, der schon in die Stomp-Familie aufgenommen war. "Auf einmal wusste ich: Das ist die Show für mich. Das Geilste, was ich je auf einer Bühne gesehen habe." Das musste er auch probieren, er flog zum Casting nach London und stellte sich morgens um 8 Uhr als Nummer 88 in die Schlange der Kandidaten. Die erste Runde ist noch offen für jedermann. "Die wollen nicht nur gelernte Drummer oder Tänzer, die wollen auch die Talente unter den normalen Leuten abgreifen. Eine andere Bewerberin war eine Erdkundelehrerin aus Irland. Luise. Sie ist jetzt auch auf Tournee dabei."

In den nächsten Runden musste Dominik Schad einige Acts aus der Show meistern: Body-Percussion, Besen-Tanz, Eimer-Schepperei, dann hieß es "Improvisier mal was!" - "Und dann musste ich da mit diesen Mülltonnendeckeln herumtanzen - als Schlagzeuger!" Anscheinend machte er es gut, er wurde zum Training eingeladen - und lernte zum ersten Mal einen anderen Menschen kennen, der beim Chips-Essen einen Rhythmus kaut. "Ich habe nicht gedacht, dass das außer mir sonst noch jemand macht. Bei Stomp triffst du genau diese Freaks." Es passte, er bekam die einzige freie Stelle in einer der Tournee-Truppen, mit der er bereits in ganz Westeuropa, auf Island, in der Türkei und im rhythmusvernarrten Indien auf den Putz haute. Obwohl er sich nicht im Mittelpunkt sieht, bekam er in seiner zweiten Rolle schon eine schauspielerische Herausforderung: Die Figur des Dr. Who. Das ist ein verrückter Typ, in dessen Rollenbeschreibung steht: "Tut höchst wahrscheinlich etwas sehr Unerwartetes." Was das ist, darf Schad sich selbst ausdenken und mit dem Regisseur und den anderen entwickeln. In der Nummer etwa, in der ein Kollege Zeitunglesen will, die anderen aber lieber mit dem Papier Musik machen sollen. Dominik "Dr. Who" Schad will am liebsten Faxen machen, baut Tiere aus der Zeitung, erschrickt die anderen damit. "Wir improvisieren teilweise jede Nacht, mit den anderen Performern und dem Publikum."

Der Reiz für die Zuschauer liegt auch in der Einfachheit: Alle Gegenstände auf der Bühne lassen sich in einem Baumarkt kaufen, man könnte also alle Rhythmen und Tänze zu Hause reproduzieren. Aber erst einmal wird man nur einen Knoten in seine Arme machen, wenn man nachmachen möchte, wie Schad mit seinen Händen rhythmisch hochkomplex auf Wangen, Oberschenkel, Bauch und Brustkorb trommelt. Um seinen Klangforscherdrang auszuleben, braucht er manchmal nichts als den eigenen Körper.

Stomp , Dienstag bis Sonntag, 16. bis 18. Juni, diverse Anfangszeiten, Circus Krone

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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