Rezension:Lagerkoller

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Lilly Gropper und Frank Damerius bei ihrer Radioshow - aber ist da draußen überhaupt noch jemand? (Foto: Marion Bührle)

Das neue Live-Hörspiel des Staatstheaters Nürnberg beschreibt eine Welt nach der Zombieapokalypse

Von Florian Welle

Frank Damerius tritt ans Mikro, röchelt fies. Als nächster ist Frederik Bott an der Reihe, steuert das metallische ritsch, ratsch einer Konservenbüchse bei. Schließlich steht Lilly Gropper vor dem Mikro, kichert hysterisch. Zusammen ergibt das einen furchteinflößenden Soundteppich in Dauerschleife. Dazu flackert unruhig eine Neonröhre. Wo wir sind? In einem Bunker. Vor wem die drei Schutz suchen? Zombies. Sie haben die Macht auf der Erde übernommen.

"Nekropolis - Die Stadt gehört uns!" heißt das neue, auf einem Text von Anita Augustin basierende Live-Hörspiel von Eike Hannemann, der jahrelang die Nürnberger mit "Winnetou" begeistert hat. Jetzt lässt er also in der Bluebox die lebenden Toten auf die Zuschauer los. Doch halt! Das Besondere an dem Live-Hörspiel ist der Umstand, dass bis auf den Eingangsloop, der für ein wenig Horroratmosphäre sorgt, die Wiedergänger gar nicht auftauchen. Nicht einmal einen ruckeligen Zombiewalk gibt es zu sehen. "Nekropolis" dürfte das vielleicht unblutigste Zombiestück aller Zeiten sein. Den Machern geht es nämlich vielmehr um die Frage, wie der Mensch sich im Angesicht der Katastrophe verhält.

"Wir dürfen nicht in den Schlendrian der Barbarei verfallen", heißt es gleich zu Beginn. Damit stellen sich Hannemann/Augustin in eine Tradition etwa mit George A. Romero, der mit "Night of the Living Dead" das Genre des Zombiefilms in den Sechzigerjahren begründet hat. In Zombiefilmen oder -serien ("The Walking Dead"), die nicht nur Splatter-Effekte aneinanderreihen, sind die Menschen die wahren Monster. Gezeigt wird: Jeder ist bereit, über Leichen zu gehen, um die eigene Haut zu retten. Die moralisch Guten, sie haben es schwer gegen das Recht des Stärkeren. Wie gehen die drei Überlebenden von "Nekropolis" miteinander um? Zunächst versuchen sie die Fassade aufrecht zu erhalten. Lesen sich aus alten Zeitschriften vor, zelebrieren das Essen. Doch der Zeitungsinhalt ist altbekannt, und auch wenn man die Erbsensuppe Hummersuppe nennt - es bleibt Erbsensuppe. Lagerkoller entsteht, der hier "postapokalyptische Belastungsstörung" heißt. Da hilft auch die Radioshow nicht mehr, die man macht, um sich zu beschäftigen, obwohl nicht sicher ist, ob draußen noch irgendjemand zuhört.

Die Schauspieler erzeugen durch die Geräte auf den Tischen eine beeindruckende Klangkulisse. Es piepst, rauscht, knackt und klappert, und man merkt den dreien an, wie viel Spaß ihnen das Spiel jenseits eines allzu strengen Stückkorsetts macht. Eines Spiels, das immer ernstere Fragen aufwirft. Denn Frederik wurde von einem Zombie gebissen, bald wird er das Hirn einer "Qualle" haben und zur Bedrohung von Frank und Lilly werden. Was tun? Ihn töten? Ihn im Käfig halten? Ist der mutierte Frederik noch ein Mensch? Was macht den Menschen überhaupt zum Menschen und wann hört er auf, einer zu sein? "Nekropolis": Ein philosophisches, hochbrisantes Live-Hörspiel, das den Besuch unbedingt lohnt.

Nekropolis - die Stadt gehört uns! , 20. und 23. Dez., 20.15 Uhr, Staatstheater Nürnberg

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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