Revue:André Heller

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Einfach mal das Werk des nervigen Narzissten von ihm trennen und schauen, was es für sich genommen taugt? Das Wiener Rabenhof-Theater beweist: Erstaunlich viel.

Von Wolfgang Kralicek

Der Wiener Literat, Chansonnier, Impresario und Tausendsassa André Heller hat in seinem bald 70 Jahre langen Leben nicht nur Varietéprogramme, Zaubermärchen oder Gärten inszeniert, sondern vor allem anderen stets auch sich selbst. Zitat: "Ich fordere Feuer- und Säbelschlucker, die meine Traurigkeit flankieren, Kulissen verkitscht und süß wie aus Zucker, ich fühl' mich dort wohl, wo sich andere genieren." Die Marke "André Heller" war stets stärker als das Werk; sein Hang zur Selbststilisierung machte ihn zu einem beliebten Objekt des Spotts, in bestimmten Kabarettprogrammen gehörte die Heller-Parodie jahrelang zur Serienausstattung. Das Wiener Rabenhof-Theater, an sich eine erste Adresse für scharfe Satire, hat sich zum runden Geburtstag nun etwas viel Schwierigeres vorgenommen: Die von Rabenhof-Chef Thomas Gratzer inszenierte Revue "Holodrio - Lass mich dein Drecksstück sein" ist der ehrgeizige Versuch, Hellers Werk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und siehe da: Die Collage aus Liedern, Szenen und autobiografischer Prosa kommt zwar etwas mühsam in die Gänge, entwickelt sich aber spätestens nach der Pause zu einer ebenso komischen wie berührenden Galavorstellung. Interpretiert werden die Heller-Texte von drei Darstellern, die drei Aspekte seines Schaffens verkörpern: Die Drag-Chanteuse Lucy McEvil steht für Hellers androgyn-exzentrische Seite; der Schauspieler Christoph Krutzler für seinen brutalen, an Helmut Qualtinger geschulten Wiener Schmäh; und der Musiker Oliver Welter, Kopf der Klagenfurter Band Naked Lunch, für den blasierten Anti-Popstar, den Heller in den 70ern gab ("Die wahren Abenteuer sind im Kopf"). Augenscheinlich wird etwa, warum Heller - Sohn eines jüdischen, meist abwesenden Vaters - in seinen Songs so oft den Holocaust thematisiert; und wenn Welter, nur zur Gitarre und mit unverkennbar kärntnerischem Idiom, Hellers Liebeslied "Wie mei Herzschlag" von 1983 interpretiert, erkennt man erst den ganzen Schmerz, der darin steckt. Diese große kleine Hommage macht deutlich, was das Problem mit diesem André Heller ist: Er steht sich selbst im Weg.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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