Raumnot:Gesucht: ein Theater

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Studenten der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität spielen "Verrücktes Blut" von Nurkan Erpulat und Jens Hillje in der Theaterakademie. (Foto: oh)

Die Studiobühne der LMU ist seit diesem Semester heimatlos

Von Christiane Lutz, München

An der Universität, das bedauern viele Studenten oft, lerne man nur theoretisches Zeug. Sitze sich den Hintern in Seminaren platt, statt aktiv in dem Bereich zu sein, den man eigentlich studiert. Am Institut für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) gibt es eine große Ausnahme: die Studiobühne. In einer Blackbox in der Ludwigstraße 25 können Studenten sich seit den 1960er-Jahren austoben, selbst Stücke inszenieren und Theater spielen. Jetzt wird das Gebäude in der Ludwigstraße kernsaniert, dort wird das "Philologicum" entstehen, eine Bibliothek für alle sprachwissenschaftlichen Institute. Die Studiobühne aber ist seit diesem Semester heimatlos, eine neue Bleibe haben weder die Universität noch Katrin Kazubko bisher finden können.

Kazubko leitet die Studiobühne seit 23 Jahren. Jedes Semester inszeniert sie selbst ein Stück im sogenannten Bühnenpraktikum (für das Bachelor-Studenten Punkte bekommen), den Rest der Zeit koordiniert sie die studentischen Produktionen. Sie organisiert Projekte mit der Partneruniversität im kanadischen Edmonton und arbeitet immer wieder mit Künstlern aus der Ukraine zusammen. Entsprechend betrübt und verärgert ist sie ob der misslichen Lage. "Wir wussten ja alle, dass die Sanierung ansteht", sagt sie, doch es sei vonseiten der Universität versäumt worden, sich rechtzeitig um eine neue Spielstätte zu kümmern. Denn auch nach Sanierungsende (geplant 2018) wird in der Ludwigstraße 25 kein Platz mehr sein für ein Theater. Diverse Örtlichkeiten hat sich Kazubko gemeinsam mit dem Liegenschaftsamt der LMU angesehen, mal hat es nicht geklappt mit einer Anmietung, ein anderes Objekt in Freimann hat Katrin Kazubko abgelehnt: "Da fährt doch kein Mensch raus", sagt sie. Eine Studiobühne müsse zentral liegen, leicht zu erreichen, für Studenten und das Publikum, das sich, sie betont das, in den vergangenen Jahren stetig mehr durchmischt habe und nicht ausschließlich aus Studenten bestünde.

Die Studiobühne ist für viele Theaterwissenschaftler der wichtigste Ort ihres Studiums. Ein Ort, an dem die Theorie auf die Praxis trifft. Ein Ort, an dem Studenten Abläufe wie an professionellen Theatern miterleben, Programmhefte gestalten, Pressearbeit übernehmen und sich an Kostüm, Maske und Dramaturgie probieren. Diese Erfahrung kann ihnen den Einstieg in den echten Theaterbetrieb sehr erleichtern. "Unsere Studenten müssen sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten doch eh keine Ahnung von der Praxis", sagt Kazubko. Nicht zuletzt sei die Studiobühne aber ein Ort, an dem Studenten Spaß haben können, eigene Ideen realisieren, Freunde finden. Unverzichtbar in einer Universitätswelt, in der immer mehr über virtuelle Kanäle organisiert würde und die Kontakte auf das Nötigste reduziert seien, sagt die Bühnenleiterin.

Für die kommenden zwei Semester immerhin hat Katrin Kazubko eine Interimslösung erarbeitet: Sie ist auf bestehende Theater zugegangen und hat um Unterstützung geworben. So finden die für dieses Semester geplanten sieben Produktionen im I-Camp, im Pathos, im Heppel & Ettlich, in der Pasinger Fabrik und in der Theaterakademie statt. "Verrücktes Blut", inszeniert von Katrin Kazubko selbst, hat an diesem Mittwoch in der Theaterakademie Premiere. Die Studiobühne war zwar immer ein Raum für ein öffentliches Sich-Ausprobieren, aber geschützt genug, eventuelles Scheitern zu verzeihen. Das könnte sich durch die Zusammenarbeit mit den professionellen Häusern ändern, fürchtet Kazubko: "Was wir machen, soll kein kommerzielles Theater sein. Fürs I-Camp gelten gleich andere Bedingungen, da kann schon mal nicht jeder inszenieren."

Dass das Umherziehen auch eine Chance für die Studiobühne sein könnte, sich bekannter zu machen, findet Matthias Fahrmeir, Leiter des "Dezernats IV, Liegenschaften und Technik", der LMU. "Aber natürlich sind wir jetzt gemeinsam mit Frau Kazubko auf der Suche nach einer dauerhaften Lösung". Wie die aussehen könnte, weiß er allerdings noch nicht. Denn auch die Universität ist vor die gleichen Probleme gestellt wie jeder, der in München eine Immobilie sucht: Raum ist knapp. Dazu kommt, dass ein Theater eine ganz besondere Infrastruktur braucht: ein großer, hoher Raum, Platz für Licht- und Tontechnik und natürlich Publikum. Kazubko ahnt, dass der Weg zu einem neuen Spielort noch anstrengend werden kann: "Aber was soll ich machen? Ich liebe die Arbeit mit den Studenten." Sie hofft auf ein Wunder. Oder zumindest eine alte Werkstatt, eine Kneipe, irgendein neues Zuhause für die Studiobühne.

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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