Puch Open Air:Total entspannt

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Qualitativ hochwertig und sehr friedlich: Das Festival wird seinem Ruf gerecht

Von Dirk Wagner, Lueg/ Jetzendorf

Aus Frust darüber, dass ihm das Wetter wiederholt ein arbeitsaufwendig vorbereitetes Festival verregnete, verließ Thomas Lechner vor Jahren das Veranstalterteam des Puch Open Airs. Dass das knapp kalkulierte Festival ohnehin keinen großen finanziellen Gewinn verspricht, hatte Tobias Frank von Club 2 nicht davon abgehalten, statt Lechner ins Team um Hubert und Gerlinde Lehmair einzusteigen. Doch die Wetterabhängigkeit störte auch ihn, weil monatelange Vorbereitungen bei Regen absehbar nicht die ihr gebührende Wertschätzung erfahren.

Peter Wacha, der als Clubbetreiber (Rote Sonne) ebenso wie als Labelchef (Disco B) stets spannende Musikentwicklungen aufspürt, scheute das Risiko nicht. Er stieg 2014 ins Team ein und öffnete das Festival mit seinem Know How auch einer Clubmusik, die dem diesjährigen Puch-Festival zum Schluss tatsächlich eine kleine Techno-Party bescherte. Kaum hatten The Notwist nämlich ihr Set mit einer nahezu technoiden Version ihres Indie-Hits "Pilot" geschlossen, übernahm die Techno-Legende Juan Atkins das Programm.

Nicht auf der Bühne, sondern inmitten des Publikums vor dem frontal der Bühne aufgebauten Mischpult mixt der Mitbegründer des Detroit-Technos seine Tracks und beweist einmal mehr die Tanzbarkeit einer Musik, die keine bewährten Muster reproduziert, sondern neue Formen sucht. Dank der guten Technik, mit der das Elemental Wave Soundsystem aus Dachau die Klangqualität auf der Schweinewiese sichert, schallt sein Set weit in die sternklare Sommernacht. So weit, dass die aus München und Augsburg angereisten Besucher neidisch werden könnten über die Toleranz der hiesigen Nachbarn. Der Auftritt von Atkins gilt umso mehr als Highlight der diesjährigen Landpartie, da er noch nicht einmal angekündigt war.

Eine zufällige Begegnung Wachas mit dem Godfather des Detroit Techno vor Tagen führte zur Programmerweiterung des ohnehin ausverkauften Festivals. Wobei schon vor Jahren die Veranstalter überlegten, wie man die Qualität des Festivals bewahrt, einen weiteren Zuwachs verhindert und gleichzeitig das eingangs erwähnte Regenrisiko mitberücksichtigt. Doch so toll das Programm heuer auch mit Drei Sekunden, The Notwist, Die Nerven, Soons und Ebow aufgestellt war: Der eigentliche Star ist längst das familienfreundliche Festival selbst, das bisher jeder kommerziellen Versuchung widerstand.

Entsprechend entspannt wirken auch die Musiker. Ebow und ihre Musikerinnen spielen zum Beispiel vor dem Auftritt ausgelassen mit einem Frisbee. Nach Wien ist die gebürtige Münchnerin gezogen, weil es dort mehr Räume für Künstler gäbe, wie sie sagt, mehr Unterstützung und in Folge auch viel mehr Rapperinnen und female djs-Kollektive. Als Künstler könne man sich München wegen der Lebenshaltungskosten ohnehin nicht leisten, sagt sie.

Weil sie auch die örtliche Nähe zu ihrem Label schätzt, wechselte sie zudem vom Münchner Label Disko B zum Wiener Problembär Records. In Puch wird sie indes von der Münchnerin Melis als DJ begleitet, die mit Freunden gerade ein neues Format entwickelt, um damit der Männerdominanz in der Münchner Hip Hop-Szene entgegenzuwirken.

Tatsächlich fällt dann auch auf, wie aufmerksam die anwesenden jungen Mädchen im Publikum den Auftritt der drei Frauen auf der Bühne verfolgen. Veranstalterin Gerlinde Lehmair beobachtet das sehr zufrieden: "Wir brauchen mehr gute Frauen auf der Bühne!", sagt sie. "Auch als Vorbilder!"

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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