Privatfernsehen wird kostenpflichtig:Wer ist Millionär?

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Günther Jauch für 3,50 Euro: Die großen Privatsender planen, Gebühren für ihre erfolgreichsten Sendungen zu erheben. Dazu sollen sie verschlüsselt ausgestrahlt werden, um dann nur noch per Dekoder genießbar zu sein. Jetzt ermittelt das Kartellamt.

Klaus Ott, Hans-Jürgen Jakobs, Claudia Tieschky

Wenn Günther Jauch einige Male in der Woche bei RTL in der Quizshow Wer wird Millionär? die Stirn in Runzeln legt, spitzbübisch fragt und vielsagend lächelt, dann gehört das zum so genannten ¸¸Free-TV": Die Zuschauer müssen kein Geld dafür bezahlen, sondern nur Werbeblöcke in Kauf nehmen.

Vor allem hat das Bundeskartellamt in Bonn den Verdacht, hier werde organisiert dem Verbraucher ins Portemonnaie gegriffen. (Foto: Foto: dpa)

In der Zukunft des Fernsehens, die digital ist, wird aber nach anderen Regeln gesendet. Hier heißt es: Erst zahlen, dann sehen. Das gilt auch für Jauch, den seit vielen Jahren erfolgreichen Rateonkel im RTL-Team - vom kommenden Jahr an müssen Satellitenhaushalte für den Empfang des Kölner Programms bis zu 3,50 Euro im Monat zahlen. Das folgt aus einer Vereinbarung, die RTL, MTV und der dominante Satellitenbetreiber SES Astra am Mittwoch veröffentlichten.

6,4 Millionen Satellitenhaushalte sind bereits auf den digitalen Empfang umgestellt, die anderen zehn Millionen folgen. Die Sender beginnen bald, ihre Programme - im Stil der Pay-TV-Anbieter Premiere und Arena - zu verschlüsseln. Um ein Bild sehen zu können, müssen Decoder (Set-Top-Box) und Zugangskarte (Smart card) vorhanden sein.

Der Brachialumstieg à la RTL hat prompt viele Proteste ausgelöst - bei den Aufsehern in den Landesmedienanstalten, in der Politik, bei Verbraucherschützern. Die geplante Verschlüsselung sei ¸¸unsozial", auf längere Sicht werde das Medienangebot künstlich verknappt, sagt Michael Bobrowski, Medienexperte beim Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen. Er spricht vom ¸¸verkappten Entgeltfernsehen" und von ¸¸Etikettenschwindel".

Große Fernsehprogramme sollten frei empfangbar bleiben, meinen die Medienanstalten zur ¸¸TV-Abzocke" (Abendzeitung). Die geplante Satelliten-Gebühr von monatlich 3,50 Euro werde nicht nur für technische Dienstleistung erhoben, vielmehr sei anzunehmen, dass davon ein Teil auch an die Veranstalter gehe, sagt Victor Henle, Vize-Chef der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten: ¸¸So finanzieren nun die Satellitenzuschauer das Programm und die Kosten der Übertragung mit."

Vor allem hat das Bundeskartellamt in Bonn den Verdacht, hier werde organisiert dem Verbraucher ins Portemonnaie gegriffen. Die Bonner hatten bereits frühzeitig zwei Verfahren mit den Aktenzeichen B 7 - 18/06 und B 7 18/06-2 eingeleitet, die das groß angelegte Projekt sprengen könnten. Laut einer internen Notiz hegt das Amt den ¸¸Verdacht", dass die beiden großen Sendergruppen RTL und Pro Sieben Sat 1 gesetzeswidrig gemeinsame Sache mit dem Satelliten-Giganten Astra machen, um eine Verschlüsselung ihrer Programme durchsetzen und dann bei den Zuschauern abzukassieren. Was die beteiligten Konzerne als ¸¸Digital-Pauschale" bezeichneten, verstoße möglicherweise sowohl gegen den EU-Vertrag wie auch gegen das deutsche Kartellrecht. Das gemeinsame Vorgehen führe ¸¸nach erster Einschätzung" zu einer teilweisen Koordinierung des Wettbewerbs zwischen RTL und Pro Sieben Sat 1, so die Kartellbeamten. Dabei sei es unerheblich, dass die beiden Sendergruppen auf anderen Ebenen konkurrierten.

Im Detail interessieren sich die Wettbewerbsschützer auch für das Innere der Decoder, die in den Haushalten zum Einsatz kommen. ¸¸SES beabsichtigt, umfangreiche Vorgaben für die technische Ausgestaltung von Set-Top-Boxen zu machen. Nur Set-Top-Boxen, welche diesen Vorgaben genügen, sollen zum Empfang der grundverschlüsselten Programme freigeschaltet werden (mit Ausnahmen)", notieren die Kartellbeamten.

Das alles erinnert an große Kartellverfahren Mitte der neunziger Jahre, als die Medienkonzerne Bertelsmann, Kirch-Gruppe und Telekom beim Digitalfernsehen kooperierten. Die drei Giganten wollten mit gemeinsamen technischen Standards und Decodern das Abofernsehen durchsetzen. Die Brüsseler EU-Kommission untersagte aber das Vorhaben, nachdem das Bundeskartellamt heftig interveniert hatte. Auch die ARD zählte zu den Gegnern. Jetzt tut sich Ähnliches. Die RTL-Gruppe gehört nach wie vor Bertelsmann, die Pro Sieben Sat 1 AG ist ein wesentliches Überbleibsel der pleite gegangenen Kirch-Gruppe, und SES Astra beherrscht den Satellitenmarkt im All.

Auffällig ist, dass die großen Privatsender nicht im Block mit ihren Zahl-TV-Plänen nach vorn preschten - das hätte wie eine Bestätigung des Kartellamts ausgesehen. Die Pro Sieben Sat 1 Media AG hielt sich zunächst zurück.

Große Gefahren sieht zum Beispiel der thüringische Medienwächter Henle. Seine Parole handelt von einer ¸¸Must-free-offer-Regelung" - im digitalen Fernsehen müssten die großen Kanäle zumindest auf einem Verbreitungsweg frei empfangbar bleiben, also etwa beim digitalen Antennenfernsehen (DVB-T).

Die meisten Landesmedienanstalten hätten sich bereits dafür ausgesprochen, so Henle. Schließlich könne es ein ¸¸großes Interesse" daran geben, dass ¸¸jedenfalls das marktführende Vollprogramm der beiden Senderfamilien, die in Ostdeutschland sogar die eindeutige Spitzenposition einnehmen", frei empfangbar sei. Zumindest der Verbreitungsweg DVB-T solle frei bleiben, ¸¸wenn der Gesetzgeber den Mut dazu hat", sagt Henle. Die USA lieferten dafür Beispiele.

Die Konkurrenz protestiert heftig gegen das Abkassieren. Das sei der ¸¸Einstieg in den Ausstieg aus dem Free-TV", sagt ARD-Chef Thomas Gruber. Keine negativen Auswirkungen auf die über viele Jahre rückläufige Fernsehwerbung erwartet Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) - schon heute müssten die Zuschauer beim TV-Kabel eine Gebühr bezahlen, ohne dass dies die Werbebranche beeinträchtigt hätte.

Mag sein, aber in der neuen Zeit planen RTL, Sat 1 und Pro Sieben allerlei Spezialkanäle, die sie gegen Einzelgebühr auf Plattformen wie jene von SES Astra vermarkten. Wenn es so weiter geht, kommt noch mal der Günther-Jauch-Millionärskanal - rate mal, wer dafür zahlen soll.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.178, Freitag, den 04. August 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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