Pressekonferenz:Das Erhoffte tritt ein

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Valery Gergiev freut sich schon darauf, im Herbst die Münchner Philharmoniker in ihrem neuen Ausweichquartier zu dirigieren. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker stellen die Pläne für die nächste Saison vor

Von Egbert Tholl, München

Nicht nur angesichts der Tatsache, dass die Münchner Philharmoniker noch nicht wissen, wo sie von 2020 an spielen werden, ist diese Jahrespressekonferenz von lichter Heiterkeit. Valery Gergiev fühlt sich ganz offenbar ungemein wohl bei seinem Münchner Orchester. Er hat auch noch unmittelbar vor der Konferenz geprobt, dann geht es ihm immer gut. Und er schwärmt. Schwärmt von der Zusammenarbeit mit dem Orchester und berührt dann in einer kleinen, durch nichts aufzuhaltenden Rede alle Punkte, zu denen man vielleicht Fragen gestellt hätte, wenn es etwas Neues zu erfahren gegeben hätte.

Das Neue, das nicht neu ist: Wenn der Gasteig und mit ihm die Philharmonie renoviert wird, also von 2020 an, kommen drei Standorte für ein temporäres Ausweichquartier in Frage: Candidplatz, Paketposthalle, Messestadt Riem. Die Musiker, namentlich Stephan Haack vom Orchestervorstand, sähen sich gerne zentraler platziert und träumen etwa vom Deutschen Museum. Antwort von Kulturreferent Hans-Georg Küppers: "Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei Null."

Viel freudiger wird Haack, wenn er über Gergiev spricht. In den ersten eineinhalb Jahren von dessen Chefdasein in München seien Orchester und Dirigent wunderbar zusammengewachsen. "Es ist eingetreten, was wir erhofft haben." Man freue sich über Gergievs Art zu proben, sein Arbeiten am Klang erinnere, na, an wen? An Celibidache, was einerseits für das gute Gedächtnis mancher Musiker spricht, andererseits die größte Wertschätzung ist, die ein erfahrenes Mitglied der Münchner Philharmoniker gegenüber einem Dirigenten zu formulieren imstande ist. Und da alles so gut läuft, die mediale Präsenz deutlich verbessert ist, 15 500 Abonnenten glücklich sind, eine halbe Million Zuschauer das digitale Angebot nutzt und die Gesamtauslastung bei 87 Prozent liegt, erklärt Küppers auf die Frage, ob man bereits über eine Verlängerung von Gergievs momentan bis 2020 laufendem Vertrag nachdenke: Valery Gergiev habe gerade bis 2030 verlängert, wisse das aber noch nicht.

Achtung, das war ein Scherz, aber er gibt treffend die Stimmungslage wieder. Die wird nicht einmal getrübt vom Nachdenken über die von 2020 an zu erwartende Diaspora. Vermutlich ist Gergiev mit seinem Hemdsärmel aufrollenden Pragmatismus auch der Richtige für so eine Ausweichquartiersituation; er habe damit Erfahrung, hat in St. Petersburg ja tatsächlich bereits verschiedene Baustellen gehütet, lässt sich durch äußere Widrigkeiten kaum beeindrucken und spricht lieber davon, wie er derzeit noch mit der Aufstellung des Orchesters auf dem riesigen Podium der Philharmonie experimentiert. Apropos Philharmonie: Der Name Toyota fällt bei diesem mittäglichen Treffen nicht, wie überhaupt über mögliche Umbaudetails nicht gesprochen wird.

Deshalb: Musik. Gergiev erklärt sehr schön, dass er und das Orchester von den Komponisten lernen - "it's a simple story" -, dass er lieber das Werk von ausgewählten Komponisten erforsche als jeden Tag einen anderen zu dirigieren. Symbol dafür ist das 360-Grad-Festival, das im Februar 2018 ganz dem Werk Strawinskys gewidmet sein wird. Daneben plädiert Gergiev für eine präzis geplante Zukunft. Drei Jahre Ausweichquartier könne man schadlos und vielleicht auch mit erhöhter Reisetätigkeit gut überstehen; wenn es länger dauert, wird es schwierig. Für alle.

Komponisten ergründen heißt natürlich auch: Bruckner. In St. Florian bei Linz und in München, das passiert im Herbst 2017. Da es aber noch andere Komponisten gibt, folgt darauf gleich die Uraufführung eines Trompetenkonzerts von Geoffrey Gordon - großer Auftritt für den Solisten Guido Segers. Lorenzo Viotti, Sohn von Marcello Viotti, dem so früh verstorbenen Chef des Rundfunkorchesters, gibt sein Digierdebüt, von den jüngeren Dirigenten legt Intendant Paul Müller dem Publikum vor allem Krzysztof Urbański sehr ans Herz, von dessen ernsthafter Art zu arbeiten er offenbar fasziniert ist. Konzertant gibt es Oper, Wagners "Fliegenden Holländer" und "The Enchanted Wanderer" von Rodion Shchedrin, Barbara Hannigan wird zwei Konzerte gestalten, alte Bekannte wie Zubin Mehta, Semyon Bychkov und, warum auch immer, Kent Nagano sind zu Gast, Anja Harteros singt, Lisa Batiashvili geigt, Hélène Grimaud spielt Klavier. Und: Auf dem Odeonsplatz spielt im Juli 2018 David Garrett. Kein Scherz.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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