Premiere:Ohne Mut, ohne Kraft, ohne Sprache

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Die Buddenbrooks zu Bamberg: großbürgerliches Biedermeier. (Foto: Martin Kaufhold)

Sibylle Broll-Pape inszeniert in Bamberg die Romanadaption von Thomas Manns "Buddenbrooks" am E.T.A. Hoffmann-Theater

Von Florian Welle, Bamberg

Mehr als 100 Jahre ist es her, dass Thomas Mann seine "Buddenbrooks" veröffentlicht hat. Da hat sich über die Zeit schon eine dicke Staubschicht auf den Nobel-Roman gelegt, die es wegzupusten gilt.

In Bamberg hat Sibylle Broll-Pape die bürgerliche Verfallsgeschichte auf die Bühne gebracht und erst einmal den kleinen Hanno vorgeschickt. Der blättert im vergilbten Familienbuch herum, dann wendet er sich seinem Puppentheater am Bühnenrand zu und wirbelt auch hier viel Staub auf. Positioniert seine Figuren, und siehe da, auf der großen Bühne kommt Leben in die stillgestellte Szene: Konsul, Konsulin, Thomas, Tony und Christian erwachen, schütteln sich die Flusen aus den historischen Kostümen und los geht's mit einem Sofa als einzigem Requisit.

Hat die Intendantin des E.T.A. Hoffmann-Theaters Thomas Mann entstaubt? Ihn modernisiert oder gegen den Strich inszeniert? Nach mehr als drei Stunden in gemächlichem Tempo enttäuscht die Bühnenfassung von John von Düffel, die dieser "nach dem Roman von Thomas Mann" 2005 für das Hamburger Thalia Theater eingerichtet hat, derlei Hoffnungen.

Dass die Bamberger im Titel John von Düffel gleichberechtigt neben Thomas Mann führen, ist, mit Verlaub, zu viel der Ehre. Düffel hat für seine Dramatisierung viel Personal gestrichen; sein Fokus liegt auf den jungen Buddenbrooks, auf dem pflichtbewussten Thomas, dem spleenigen Christian, der Kindfrau Tony; und er lässt die Geschichte später einsetzen und früher enden als im Roman. Aber sonst wird brav Szene für Szene der Inhalt nachbuchstabiert. Da taucht Bendix Grünlich auf, da heiratet Tony, da verlottert Christian . . . Auf der Strecke bleiben die Zwischentöne, bleibt die Sprache Thomas Manns.

Man kann es nicht oft genug wiederholen, auch wenn es vergebens ist: Das größte Problem am Gros der Romanadaptionen ist, dass sie den Vorlagen so selten gerecht werden. Thomas Mann weigerte sich einst, sein Werk, wie vom Verleger gefordert, um die Hälfte zu kürzen. Nun, heute übernehmen das die Theater.

Sieht man einmal von Castorf und einigen anderen ab, ist es eine Verlustgeschichte. Vor allem dann, wenn man die Instant-Fassungen nicht mit starken Bildern oder forciertem Spiel in Szene setzt. Es scheint, als hätte Sibylle Broll-Pape am Ende ihrer ersten Spielzeit der Mut verlassen, einen couragierten Blick auf den Roman zu werfen - jenseits des protestantischen Geistes des Kapitalismus, der allgegenwärtig ist. Die Themen Ökonomie und Familienzwist sind natürlich übertragbar auf die Gegenwart, aber das ist eine Binsenweisheit. Nach den vielen überaus guten, irrwitzig rasanten Inszenierungen am Haus - erinnert sei an "Krähwinkel" - scheinen diese biederen "Buddenbrooks" ein Zugeständnis an das Abonnenten-Publikum zu sein. Aufregung gibt es hier wenig, zum Aufregen gar nichts.

Die Schauspieler agieren in einem nichtssagenden Einheitsbühnenbild und machen das Beste draus. Daniel Seniuk bemüht sich als Thomas um Akkuratesse, Katharina Rehn gibt Tony erst nassforsch, dann verzweifelt, schließlich als Rebellin. Und Pascal Riedel sorgt als Christian für die Lacher: Von wegen verkürzte Nerven. So weit, so erwartbar, so verstaubt. Da kann Hanno noch so viel pusten, es hilft nichts.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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