Portrait: Jean Reno:Jetzt bitte alltäglich

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Jean Reno hat lange genug den harten Hund gegeben. Jetzt will er simple Typen spielen - und fängt mit seiner Rolle als Ponton in "Der Rosarote Panther 2" an.

Maxi Leinkauf

Irgendwie klingt der Name wie aus einem alten, mittlerweile komplett vergilbten Comic, der von einem melancholischen Outlaw handelt, dem das Wasser in die Augen tritt, wenn er den Revolver abdrückt. Jean Reno, so oder ähnlich lauten die Namen der traurigen Killer unserer Kinosehnsüchte, die Poeten des brutalen Geschäfts, bei dem am Ende die Guten dieser Welt wie geplatzte Frösche auf der Strecke bleiben. Bei dem Schauspieler Jean Reno macht es natürlich auch die Visage, dass die meisten Regisseure ihn für die sehr kalten Augenblicke der Filmgeschichte nutzen wollten. Schwer zu sagen, ob er den aktuellen Labradorblick schon länger im Repertoire hat oder ob er ihn sich für die neue Rolle herangezüchtet hat. Jean Reno ist nämlich jetzt als Ponton zu sehen, das ist der unfassbar sanftäugige Tölpel, der in "Der Rosarote Panther 2" dem seinerseits schon schwer behämmerten Inspektor Clouseau zur Seite steht, respektive nicht von der Seite weicht.

Reno spielt den tolpatschigen Ponton in "Der Rosarote Panther 2". (Foto: Foto: ap)

Jean Reno, mitlerweile 61, lümmelt im Sessel, und er trägt dabei die Uniform des Stars im Stand-by-Modus nach lässig ablegter Schwerstarbeit: unrasiert, mit Jackett und Cordhose bekleidet, erzählt er, dass die Dreharbeiten für ihn wie Ferien gewesen seien. In einem Projekt seines Freundes Steve Martin würde er übrigens immer mitmachen. Die beiden sehen sich häufig in New York, reden über Filme, Wein, die Frauen, kurz: die entscheidenden Dinge für Männer, die Jean Reno heißen oder Steve Martin.

Dabei kam der Ruhm für Jean Reno spät. Er war vierzig, als ihn sein Freund, der Regisseur Luc Besson, für den Film "Im Rausch der Tiefe" besetzte, der Reno als Schauspieler schlagartig bekannt machte. Als durchtrainierter Apnotaucher Enzo Molinari rast er, braungebrannt, mit Sonnenbrille in einem kleinen roten Ford Cabrio über eine griechische Insel. Ein Typ also, mit dem man eng befreundet sein muss, um ihm nicht im Affekt die Bremskabel zu kappen.

Für Jean Reno war es eine lange Strecke bis an die großen Filmsets, nicht nur geographisch. Er wurde unter dem Namen Don Juan Moreno y Jederique Jimenez in Casablanca geboren. Seine Eltern waren Spanier, die vor dem Franco-Regime aus ihrem Heimatland fliehen mussten und sich deshalb in Marokko niederließen. Als dort die Wirtschaft ins Wanken geriet, zogen sie nach Frankreich, wo Jean Reno aufwuchs und für sich Filmszenen von Jean Gabin und Marlon Brando nachspielte. Ach ja, Gabin.

"Gabin", Jean Reno zelebriert den Namen mit ehrfurchtgeschwängerter weicher, tiefer Stimme. "Gabin sagte immer: Eine Geschichte ist eine Geschichte ist eine Geschichte". Was man eben so sagt, wenn der Tag lang ist und der Pastis mit wenig Wasser serviert wird.

Jean Renos eigene Geschichte ist die eines langwierigen Aufstiegs. Mit 19 Jahren trat er in die französische Armee ein, um die Staatsbürgerschaft zu erhalten. "Ich wollte unbedingt Franzose werden", sagt er, er wollte dazu gehören und nicht länger einer von den pieds noirs sein, denen die Franzosen seit jeher mit kaum verhohlener Verachtung begegnen. Weil er einen theaterbegeisterten Vorgesetzten hatte, konnte sich Reno weitgehend aus dem Rekrutenalltag heraushalten und die meiste Zeit in der Theatergruppe der Garnison verbringen.

Lesen Sie weiter, wie Reno seine Nische in der Kinowelt fand.

Nach dem Militärdienst - Reno war in den 1960ern auch eine Zeitlang in der Nähe von Stuttgart stationiert - ging er nach Paris, finanzierte sich sein Schauspielstudium mit Gelegenheitsjobs und stand, wann immer er konnte, auf der Theaterbühne. Jean Reno bekam Kurzauftritte in Filmen mit Romy Schneider, wie "Die Liebe einer Frau" und "Die Spaziergängerin von Sans-Souci"; für Im "Rausch der Tiefe" erhielt er eine César-Nominierung, und er drehte weiter mit Luc Besson - erst "Nikita", dann "Leon, der Profi" , wo er den kontrollierten Killer gibt, der nur lebendig wirkt, wenn er einen Auftrag zum Töten hat. An normalen Tagen trieb Leon mit weidwunden Augen, fast stoisch, durchs Leben. Ab und zu konnte das achtjährige Waisenmädchen Mathilda ihn zum Lächeln bringen. Genau die richtige Geschichte für harte Männer mit weichem Kern.

Reno wechselte gern das Genre und spielte mit Gérard Depardieu in der Fantasy-Komödie "Die Besucher", einem der erfolgreichsten französischen Filme überhaupt. Für seine Verdienste am französischen Kino hat ihm der damalige Präsident Jacques Chirac 1999 den Titel "Ritter der Ehrenlegion" verliehen. Noch französischer kann man kaum werden. Aber dann rief Amerika.

Nischendasein

"Der französische Schauspieler Jean Reno hat eine spezielle Nische im Kino besetzt", formulierte die New York Times, "indem er Männer porträtiert, die sich mehr über ihre Taten als über Worte definieren."

Wie klingt das? Für Jean Reno offenbar wenig interessant, vielleicht, weil er weiß, dass derlei Wortgeklingel nicht unbedingt die langfristige Karriere eines Franzosen in Hollywood einläutet. "Ich wusste immer, dass ich niemals die Rollen der Amerikaner spielen würde", sagt er, "einer wie ich wird niemals der neue Harrison Ford."

Reno blieb clever genug, einfach sein Image zu nutzen, gab den charmanten Lebemann und Verführer in romantischen Komödien wie "Jetlag", oder "French Kiss", dann wieder den abgebrühten Kerl in Actionfilmen wie "Mission: Impossible" oder in Roland Emmerichs Neuverfilmung von "Godzilla".

All diesen Rollen will er sich mit professioneller Lässigkeit genähert haben. "Ich schleppte meine Figuren nicht mit nach Hause", sagt er. Diesen Wahnwitz hat er nämlich bei vielen jungen Schauspielern beobachtet, die sich mit Selbstzweifeln quälen oder sich anderweitig verrückt machen bis zur Unfähigkeit, überhaupt eine Figur zu entwickeln. "Aber man muss nicht für eine Rolle sterben, um gut darin zu sein." Jean Reno freundete sich mit Kollegen an, mit Robert De Niro und Kevin Kline. Er war jetzt auch in Hollywood ein Star.

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Hat er es geschafft?

"Oh, non", sagt er, so als sei diese Frage ganz abwegig. "Ich habe immer Extreme gespielt, aber das ist ziemlich leicht." Er würde lieber einfache Menschen spielen, so wie jetzt den Ponton. Er will die alltäglichen Geschichten erzählen. Aber kein Regisseur besetzt einen harten Hund für die Rolle eines Softies.

"Im Moment schreibe ich die Geschichte meines Lebens", sagt Jean Reno. Und das ist natürlich die Story des Jungen aus einfachen Verhältnissen, der es von Casablanca nach Hollywood geschafft hat. Es soll ein Ein-Mann-Stück werden über das Schicksal von Einwanderern in Europa. Reno, das ist offenkundig, will noch einmal wissen, wie alles angefangen hat bei ihm.

Zwischen Glamoursucht und einfachem Leben

Dabei kannte man Jean Reno in den letzten Jahren als einen, der durchaus pokerte. Er drehte Werbespots für französische Brillen und machte Reklame für japanische Zigaretten. Wie viele andere Filmstars kaufte er Anteile an Restaurants in Paris und New York und trat im Fernsehen mit dem Rock-Dinosaurier und französischen Nationalhelden Johnny Halliday auf, den er zu seiner "Familie" zählt. Seine dritte Hochzeit mit dem jüngeren Model Zofia Borucka zelebrierte er vor zwei Jahren in der südfranzösischen Gemeinde Les-Beaux-de-Provence, der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy war sein Trauzeuge. Die Gästeliste hätte auch für ein Staatsbankett herhalten können. Jean Reno fühlt sich wohl in dieser hochgetunten Welt, er wollte immer dort hin, vielleicht auch, weil sich der Widerspruch zwischen Glamoursucht und einfachem Leben ganz hübsch inszenieren lässt?

"Ich stehe zwischen diesen beiden Welten", sagt Jean Reno, und es ist überraschend, wie bereitwillig er das tut: Casablanca, Madrid, Paris, Berlin, Los Angeles, alles ist seins. "Ich bin ein Millefeuille", sagt er. "Tausend Blätter", so heißt ein französisches Blätterteiggebäck.

Er hält sich jetzt immer öfter auf seinem französischen Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert auf, wo er mit seiner Frau und seinem jungen Sohn lebt und Olivenbäume züchtet. Der Sohn ist ein Jahr alt, sechs Jahrzehnte jünger als sein Vater, der natürlich kalkuliert, ob er mit dem Jungen noch Fußballspielen kann. Ob die Lebenszeit noch reicht für diese eine Szene: Ein Vater, der mit seinem Sohn kickt. Das wäre immerhin: die einfachste Geschichte der Welt.

© SZvW vom 07./08.03.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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