Pink-Floyd-Tour:Elegantes Durchdrehen

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Das frühere Pink-Floyd-Mastermind Roger Waters spielt alte Schizo-Schocker und klingt brillant. Herzschläge, Irrengelächter, Donnerschlag - wann hat man sich zuletzt im Wahnsinn so zu Hause gefühlt?

Alexander Gorkow

Zum überirdisch erfolgreichen Häppchen-Management, mit dem die britische Rockgruppe Pink Floyd über und in die Jahre kam, gehörte es, lange auf neue Platten warten zu lassen, auf Konzertbühnen für Stunden im Trockeneis oder hinter Mauern zu verschwinden oder sich halt als Gruppe aufzulösen und gegenseitig ein Vierteljahrhundert lang mit den teuersten Anwälten zu bekriegen.

Roger Waters wahrt das Gleichgewicht zwischen virtuosem Sound und dem psycho-pathologischem Sujet seiner Songs. (Foto: Foto: ap)

Seit der überaus überraschenden Wiedervereinigung im Sommer 2005 für vier Lieder auf dem Londoner Live-8-Konzert hofften nun seltsamerweise nicht nur die zahlreichen Fans dieser Gruppe auf eine gemeinsame Tournee, sondern auch der Keyboarder Richard Wright, der Schlagzeuger Nick Mason, sogar der ehemalige Kopf der Band, Roger Waters - nur leider diesmal nicht der Gitarrist und zweite Sänger David Gilmour.

Für kein Geld der Welt

Gilmour erschien die Aussicht, mit seinem ehemaligen Intimfeind Waters wieder auf eine ausgedehnte Konzertreise zu gehen, nur weil man sich einmal vier Lieder lang nicht die Schnauze poliert hatte, als grotesk. Die Garantiesummen, die Konzertvermarkter für das Orginalquartett boten, waren von neuer astronomischer Qualität, aber wenn Pink Floyd von einer Sache sozusagen nichts mehr hören wollen, dann von: noch mehr Geld.

Man kann nicht alles haben, weshalb also der Plan des schlaksigen Frontmanns Waters, gemeinsam mit dem lasziven Brummi Gilmour und den anderen beiden Musikern das Großwerk "Dark Side Of The Moon" noch mal in voller Länge auf die großen Bühnen zu wuchten, scheiterte. Seit rund einem Jahr nun führt Waters mit großer Band die dunkle Seite des Mondes alleine auf, soeben kommt man aus Südamerika zurück, wo man in Fußballstadien für teils sicherheitsgefährdende Ekstase sorgte.

Das erste Konzert in Deutschland, vorgestern in der ausverkauften Köln Arena, ist nicht gefährlich, sondern einfach nur schön. Vielleicht kann man das in einem etwas schiefen Bild am besten so erklären: Wenn man auf einem Parkplatz mit lauter Autos steht, die aussehen, als habe man ihnen vorne und hinten etwas abgefahren, dazu reichlich nuttig, so also wie die meisten Autos heutzutage nun mal aussehen, was denkt man dann, wenn mit einem mal ein weinroter Jaguar E-Type um die Ecke biegt? Eben.

Waters hat eine erlesene Band dabei, es sind unglaublich versierte Musiker, wie der katapultöse Schlagzeuger Graham Broad, der scharf Funken schlagende Gitarrist Andy Fairweather Low, der fein akzentuierende und sehr jazzig punktierende Keyboarder John Carin. Möglich, dass das hier nun klingt wie aus dem Manufactum-Katalog, auch möglich aber, dass einem das im Konzert eher willkommen als egal erscheint. Denn es gibt ja genug enttäuschende Konzerte von Gruppen, die angeblich virtuos sind. (Dies für alle, die zum Beispiel noch nicht auf einem Konzert der Red Hot Chili Peppers waren.)

Jedenfalls wirkt Waters' Band hier von der ersten bis zur letzten Sekunde dieses mehr als dreistündigen Abends immer dann präzisierend und abfedernd, wenn der Sänger früher noch Gefahr lief, seinen politischen oder psychopathologischen Zorn aus ganz großen Kanonen auf die Leute zu feuern. Was bei Pink Floyd stets übrig blieb, wenn man das Pathos überwand, war in der Tat große Eleganz, und von dieser Eleganz gibt es an diesem Abend viel: Vor der Pause in der beruhigenderweise auch noch bestuhlten Arena stechen hier etwa Syd Barretts hypnotischer Feuerzauber "Set The Control For The Heart Of The Sun" hervor oder auch das wundersam pulsierende Rockpsychogramm "Sheep" von der großartigen, meist etwas unterschätzten "Animals"-Platte.

Viel Roger Waters und wenig Pink Floyd

Sollte man hingegen das Konzeptalbum "The Dark Side Of The Moon" lange nicht mehr gehört haben, wird man nach der Pause womöglich erst froh und dann depressiv. Dies hat sehr wesentlich damit zu tun, dass einem dieser konstant zwischen Himmel und Erde schwebende Schizoschocker, den Waters mit sage und schreibe Mitte Zwanzig und vor 35 Jahren zu Papier brachte, sich als vollkommen zeitlos erweist, was toll ist für Waters, aber doch ein ziemlich deprimierendes Bild auf den aktuellen Musikmarkt wirft. Das ganze Album geht auf diesen blue-note-artigen, von Richard Wright damals frech bei Miles Davis abgeguckten Wegen wie auf Ballettschuhen daher. Aufgeladen wurde das freilich durch die ziemlich überwältigende Psychokomponente: Herzschläge, Irrengelächter, Selbstentfremdung, Donnerschlag, wann hat man sich zuletzt beim Durchdrehen so zu Hause gefühlt!

Roger Waters bringt dementsprechend an diesem Abend eher sich selbst auf die Bühne als Pink Floyd. Die Auszüge, die sich maßgeblich aus den großen Waters-Epen "Dark Side", "Final Cut" und "The Wall" speisen, verlieren allerdings nie die Contenance - anders als in früheren Phasen seiner Solo-Karriere. Die Lichtregie ist sparsam, aber effektvoll. Der Klang ist brillant. Waters selbst, der Lulatsch, stramm über 60 und bei guten Lichtverhältnissen ein wenig an Richard Gere erinnernd, hat zudem auch noch erschreckend gute Laune und bedankt sich ständig artig vom einen Bühnenrand zum anderen. Vielleicht ist er doch froh, dass David Gilmour nicht dabei ist.

Und überhaupt: Gilmour! Hat man ihn denn vermisst? Diese prätentiöse Bratgitarre am Ende von "Comfortably Numb"? Diese bekiffte Stimme bei "Breathe" und "Us And Them"? Dieser stets arrogante Blick? Um ehrlich zu sein: Ja. Pfff, Blödmann!

Roger Waters spielt heute in der Arena in Leipzig und morgen, 19. April, in der Color Line Arena in Hamburg.

© SZ vom 18.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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