Oscars 2006:Begegnung mit dem Sog zum Mittelpunkt

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Julia Jentsch ist 28, vielfach ausgezeichnet und reist nun zur Oscar-Verleihung. Wie die Sophie-Scholl-Darstellerin versucht, sich dennoch treu zu bleiben.

Holger Gertz

Draußen fängt es schon wieder zu schneien an, gleich wird auf allen grauen Schneehaufen an der Maximilianstraße eine weiße, frisch gewaschene Überdecke liegen. Der Winter hört nicht auf in diesem Jahr.

Die Schauspielerin Julia Jentsch wurde bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, hier mit dem Silbernen Bären auf der Berlinale 2005. (Foto: Foto: AP)

Vor dem Fenster der Kulisse, des Theaterrestaurants der Kammerspiele, wackeln Regenschirme vorbei, sogar ein paar Männerhüte, wie man sie aus alten Filmen kennt. Die Menschen lehnen sich gegen den Wind und atmen kleine Wolken, und irgendwann taucht ein Kopf auf, eingepackt in eine weiße Flauschkugelmütze. Eine perfekte Tarnung. Wie ein zum Leben erweckter Schneemann.

Julia Jentsch betritt die Kulisse und nimmt die Mütze ab. Ihr Gesicht ist nicht sehr rot gefroren, wahrscheinlich ist die Mütze so warm wie sie aussieht, oder sie war nicht lange draußen, weil sie keinen besonders langen Weg hat. Man fängt immer an zu interpretieren, wenn man nicht so viel weiß über den, mit dem man gleich redet.

Privatleben wichtiger als Publicity

Nie würde sie einen Journalisten in ihre Wohnung lassen, eine Wohnung, von der die meisten nicht mal die Adresse kennen. Es ist auch nicht bekannt, mit wem sie lebt, nicht mal, was sie am liebsten isst. Sie spricht nicht darüber.

Julia Jentsch redet, wenn sie redet, gern in der Kulisse, die ja seit Jahrzehnten das Wohnzimmer der Schauspieler ist, und ein Wohnzimmer ist immer auch ein Schutzraum: in dem man sich wohlfühlt, jeden Winkel kennt. Sie wählt einen Tisch ganz hinten in der Ecke.

Vorher hatte einen noch ihre Berliner Agentin angerufen, Birgit Vogel. Sie bereitet Julia Jentsch auf die Journalisten vor, und ein bisschen auch die Journalisten auf Julia Jentsch. "Versuchen Sie Ihr Glück", hatte sie gesagt, "aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie auf Granit beißen." Man rechnet nach so einer Einstimmung mit einem schwierigen Gespräch. Man kann nur positiv überrascht werden.

Auf der Internetseite der agenturvogel stehen, nebeneinander, zwei Stichwortlisten. Links steht das, was von Julia Jentsch offiziell bekannt ist: Geburtsjahr (1978), Größe (165 cm), Augenfarbe (braun), beherrschte Instrumente (Klavier), Führerschein (Klasse III).

Die Karriere wird zur Reise

Rechts stehen ihre Preise. Die rechte Liste ist länger als die linke. Das erzählt viel über das Talent einer Künstlerin. Und über ihren Willen, ein privater Mensch zu bleiben.

2002 wurde sie, ausgebildet an der Hochschule Ernst Busch in Berlin, von Theater Heute zur besten Nachwuchsschauspielerin gewählt. 2005 zur Best European Actress, sie gewann den Silbernen Bären, den Deutschen Filmpreis für "Sophie Scholl - Die letzten Tage", einen Film über die Widerstandskämpferin der Weißen Rose.

Bayerischer Filmpreis als beste Nachwuchsschauspielerin 2004, Preis der Deutschen Filmkritik. 2006 wurde "Sophie Scholl" für den Oscar nominiert, Kategorie Bester Ausländischer Film, in der Nacht zum Montag wird der Oscar verliehen.

Julia Jentsch ist gerade 28. Wenn man das liest, klingt das wie die Biografie eines Menschen, der gearbeitet und geprobt und gedreht und gespielt hat, wie viele andere. Der sein Handwerk perfektioniert hat, wie viele andere. Aber bei dem irgendetwas dafür gesorgt hat, dass aus einer Karriere eine Reise geworden ist, bei der, von einem bestimmten Punkt an, alles wie von selber läuft.

Es ist zu Talent und Fleiß etwas gekommen, das man nicht suchen kann, sondern das einen findet. Etwas, das Julia Jentsch nicht auf einen Begriff bringen könnte, selbst wenn sie es wollte. Man kann keinen neuen Begriff finden für Glück oder Schicksal oder Fügung. Man kann aber versuchen, sich von diesem Glück oder diesem Schicksal nicht zerbeulen zu lassen, als Mensch. Man kann sich treu bleiben wollen. Das ist es, was Julia Jentsch versucht.

Julia Jentsch (Foto: Foto: ddp)

Sie nimmt sich eine Menge Zeit für eine Antwort, sie schließt beim Überlegen manchmal sogar die Augen, und man ist dann versucht, die Frage umzuformulieren - weil man darauf trainiert ist, diesen stillen Raum zuzureden. Dabei muss man nur etwas Geduld haben oder sich darauf einstellen, jemandem auch dann zuzuhören, wenn er mal nichts sagt.

Es wird einem bald auffallen, dass das Bild von der scheuen Frau eher ein Klischee ist. Julia Jentsch sagt viel in diesem Wohnzimmer, sie ist sehr freundlich und lacht manchmal ein bisschen dreckig, und sie fragt auch eine ganze Menge.

Brutale Fernsehinterviews

Ein Interview im Fernsehen ist viel brutaler. Die Kameras sind da, die Zuschauer im Studio und die da draußen, mit der Fernbedienung in der Hand. Sie machen zapp, wenn es ihnen zu still ist. Das Fernsehen könnte die Zuschauer erziehen, aber in Wahrheit erziehen die Zuschauer das Fernsehen. Wer in einem Fernsehstudio war, kennt den Druck.

Julia Jentsch sagt: "Man merkt, was man sagt, sollte jetzt besonders spritzig oder spontan oder witzig sein. Und wenn man weiß, man ist selber vielleicht nicht der Typ, der jetzt spontan immer irgendwelche Witze oder Pointen parat hat, dann denkt man sich: Macht das jetzt überhaupt so viel Sinn für mich und für die, die sich das anschauen."

Wenn man anfängt zu denken, hat man im Fernsehen manchmal schon verloren. Deshalb hat das Gespräch, das der Moderator Jörg Thadeusz vor einigen Monaten im Fernsehen mit Julia Jentsch geführt hat, nicht funktioniert. Es lappte in Teilen deutlich ins Becketthafte.

Jörg Thadeusz ist ein besonderer Moderator. Ironisch, auch selbstironisch, er kann gnadenlos schmeicheln und zärtlich frozzeln, er kann sogar zotige Anspielungen machen, ohne dass man gleich umschalten will. Es ist ein besonderer Moderator, nicht nur, weil er etwas dicker ist als die meisten Moderatoren.

Ein läppisches Spiel

Er hat früher, bei Extra drei im NDR, oft Politiker zu Gast gehabt und auf so gepflegte Art und Weise verarscht, dass man sich manchmal wundern musste, warum sie so mit sich spielen lassen. Dabei ist das kein Wunder. Politiker sind so glatt, sagen die Leute, und es war das Verdienst von Jörg Thadeusz, den Leuten zu zeigen, dass das stimmt: Politiker sind so glatt, dass alles von ihnen abperlt.

Jörg Thadeusz macht jetzt eine Talkshow beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, die auch für ihn eine Herausforderung ist. Er hat es nicht mit Politikern zu tun, mit denen zu spielen er gelernt hat. Einer seiner ersten Gäste war Julia Jentsch.

Sie war ein bisschen nervös, eine Talkshow war für sie etwas ganz Neues. Aber sie war auch neugierig darauf. Er war ein bisschen nervös, diese Art Talkshow war für ihn etwas Neues. Er hatte sich vorbereitet und sogar Schokolade da, Julia Jentsch mag Schokolade. Er versprach ihr Schokolade für jede schöne Antwort, es war ein Spiel mit ihr und ihrem Image.

Aber, sie wollte da nicht mit sich spielen lassen, sie ist kein Politiker. Sie ist Schauspielerin, sie will spielen. Thadeusz gurrte, redete, schwärmte und alberte. Er war sehr munter und sprach sehr schnell, sie war sehr konzentriert und sprach leise. Beide waren bei sich und fanden deshalb nicht zueinander.

Julia Jentsch lacht, als sie in der Kulisse in München über den Fernsehauftritt redet. Sie sagt: "Bockig war ich, glaube ich, gar nicht. Es war eine Nichtkommunikation, aber wir haben trotzdem miteinander geredet."

Jörg Thadeusz, in einem Studio in Potsdam, lacht auch, als er an das Gespräch denkt, dann atmet er tief aus. Es schwingt ein wenig Resignation mit. Er hatte ihr immerhin aus "Romeo und Julia" vorgelesen: Horch! Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel! Sie war aber nicht beeindruckt. Sie hat gesagt, er soll das Horch nicht so künstlich betonen. Der Text war ihr wichtig, sie wollte ihn nicht missbrauchen lassen für so ein läppisches Spiel.

Jörg Thadeusz findet trotzdem, das diese Szene was rübergebracht hat. "Man sah ganz deutlich, da ist die zauberhafte junge Frau, und da steht der fehlerhafte Mann." Er hat sich das Band noch ein paar Mal angeschaut und sich geärgert, dass sonst nicht viel geklappt hat. Er hat sich für sich selbst geärgert. "Ich wollte der Frau auch ein bisschen gefallen. Ich weiß ja, wenn die mich anschaut, dann denkt die nicht: ,Hui, wie Johnny Depp!' Aber ich dachte mir, vielleicht kann ich ihr durch Charme gefallen. Das ist aber völlig in die Grütze gegangen."

Talent zum Star

Er hat sich aber auch für sie geärgert. "Wenn sie, weil ich das so vergeigt habe, nicht mehr in andere Talkshows gehen würde, fände ich das sehr bedauerlich."

Jörg Tadeusz sagt: "Die Frau hat ja das Zeug zum Star". Vielleicht ist es ganz gut, dass er dieses Letzte in der Sendung nicht zu sehr betont hat.

Julia Jentsch kann mit dem Begriff Star nichts anfangen. Sie muss nur Zeitung lesen, um zu sehen, wie oft er verwendet wird. Es gibt Starköche, Starpolitiker, Starreporter. Es gibt Superstars, manchmal nur für ein paar Tage.

"Das ist ein Begriff, der für alles und jeden verwendet wird und deshalb keine Bedeutung hat." Sie macht eine Pause und schaut in die heiße Schokolade. Sie ist ja auch ein Star, sie fährt jetzt zum Oscar. Oscar ist so was wie Nobelpreis, Olympiasieg. Aber sie sagt: "Es steckt für mich kein Inhalt hinter diesem Begriff."

Trotzdem kriegt sie dauernd Briefe, mit beigelegtem frankiertem Umschlag. Die Leute wollen Autogramme. Sie wollte eigentlich solche Fotos nie verteilen. Sie fragte sich nach dem Sinn und fand keinen. Aber was passiert, wenn jemand, den alle für einen Star halten, keine Autogramme verteilt?

Dann steht ja irgendwann nicht in der Zeitung: Der Mensch X gibt keine Autogramme, weil er nicht einsieht, was an seiner Unterschrift so toll sein soll. Dann steht in der Zeitung: Der Star X hat es nicht mehr nötig, Autogramme zu geben. Dann ist der Star, der kein Star sein will, am Ende ein Star mit Allüren, oder eine Diva.

Diva. Noch so ein Begriff. Julia Jentsch kann in Rollen wie ein Mädchen sein und zugleich hart wie eine Kämpferin. Das kriegen viele draußen nicht auf die Reihe. Sie erfinden dann neue Wörter. Das Handelsblatt hat sie "Girlie-Amazone" genannt. Julia Jentsch lacht. Girlie-Amazone. Sie findet das Wort schrecklich.

Die Geschichte mit den Autogrammkarten hat jedenfalls auch Birgit Vogel gelöst, ihre Agentin. Sie hat Autogrammkarten drucken lassen und der Schauspielerin zu Weihnachten geschenkt. Irgendwann stand ein schwerer Karton an der Pforte der Kammerspiele, den Julia Jentsch nach Hause schleppen musste. Danach fragte die Agentin: Julia, hast du deine Autogrammkarten dabei? Aber Julia hat gesagt: Nein. Da sagt die Agentin: Steck dir einfach immer ein paar ein.

Julia Jentsch erzählt die Geschichte von sich und den Autogrammkarten, die irgendwie über sie gekommen sind wie der Erfolg und die Preise und der Ruhm und die Probleme, die der Ruhm hinter sich herzieht wie ein Komet seinen Schweif.

Ruhm saugt zum Mittelpunkt

Sie hat sich das erklären lassen von ihrer Agentin: Dass es Leute gibt, die Autogramme sammeln, weil ihnen ein Film so gefallen hat. Eine Autogrammkarte kann sein wie eine Ansichtskarte, die man sich mitbringt aus einem schönen Urlaub. "Sie hat gesagt, ich soll dem gar nicht so eine Bedeutung des Unangenehmen beimessen."

Das hat sie auch eingesehen, sagt Julia Jentsch. Es ist aber trotzdem manchmal so, dass sie die Karten nicht dabei hat.

Wenn man berühmt ist, auch wenn man mit dem Begriff für sich nichts anfangen kann, saugt es einen Richtung Mittelpunkt. Obwohl man sich am Rand viel wohler fühlt. Man kriegt indiskrete Fragen gestellt, man kriegt Schlagzeilen, kriegt vielleicht Post von Wagner in der Bild. Man wird für Sophie Scholl gehalten, obwohl man Julia Jentsch ist und eine Rolle gespielt hat, aber das ist für die Masse nicht leicht zu unterscheiden. Bei so einer großen Rolle.

Man soll auch privat Rebellin sein, weil man Rebellinnen gespielt hat, die Sophie Scholl und die Jule in "Die fetten Jahre sind vorbei". Erwartungen entstehen. Sie rufen danach, erfüllt zu werden. In der Zeitung stand, sie sähen sich sogar sehr ähnlich, Sophie und Julia. Julia Jentsch hat Bilder verglichen, von Sophie und sich. Sie konnte da keine besondere Ähnlichkeit erkennen.

Schulbesuch mit Horst Köhler

Sie hat nach dem Film viele Auftritte gehabt, nicht als Sophie Scholl, sondern für Sophie Scholl. Um deren Geschichte am Leben zu halten. Lesungen, Enthüllung einer Büste.

In Berlin hat sie den Film mit Schulklassen und mit dem Bundespräsidenten gesehen, und sie sagt, es hat ihr gefallen, wie der Präsident irgendwann die Presse rausschickte, und dann ist eine richtige Diskussion in Gang gekommen, über den Mut von Sophie und ihre Haltung. Es hat ihr gefallen, dass Horst Köhler keine Showveranstaltung daraus gemacht hat, sondern dass er es ernst genommen hat und zum Kern wollte.

Es ist noch Zeit, bis der Flieger nach Hamburg geht. Sie spielt gerade im St. Pauli Theater "Bitterer Honig", Peter Zadek führt Regie. Julia Jentsch hat zwar keine Uhr, aber ein Mann am Nebentisch ruft die Zeit rüber. Sie hat auch grad vergessen, mit welcher Fluglinie sie nach Hamburg fliegt, aber eine Freundin ruft an, die kann sie fragen.

Sie bestellt noch ein Wasser und eine Thaisuppe. In der Suppe schwimmen Fleisch und Gemüse, man kann darin sehr schön rühren, während man nach Worten sucht. Und man kann seine Hände um den hohen Teller legen, dann kriegt man etwas Wärme.

Angst vor dem Hype

Man könnte vielleicht sagen, es ist ein bisschen kokett, sich so rar zu machen mit Interviews und so besorgt darum zu sein, dass nicht so viel von einem nach außen dringt und so viel Wert darauf zu legen, dass nicht zu jedem Interview ein Fotograf mitkommt. Aber das ist es nicht. Sie hat eine Erklärung für all das, man muss nur warten, dann kommt sie, und es geht um mehr, als nur darum, die eigene Persönlichkeit vor gierigen Blicken zu schützen.

Es geht auch um andere, um Regisseure und Kollegen, mit denen sie arbeitet. Wenn sie von Erfolg spricht, spricht sie immer vom Team, das den Erfolg erreicht hat. Und von der Gefahr, dass so ein Jentsch-Hype sich mal umdrehen könnte, wenn die Öffentlichkeit ihrer überdrüssig wird.

Wenn einer so gelobt wird wie sie, kann vieles passieren. "Jemand geht in einen Film und entwickelt eine Gegenreaktion: Der ist ja völlig überbewertet oder so. Jemand nimmt plötzlich eine ablehnende Haltung ein, weil er denkt, er muss irgendwie dagegenhalten gegen diese positive Stimmung."

Und es könnte sein, dass ein tolles Stück oder ein toller Film verrissen wird, gerade weil Julia Jentsch mitspielt, die inzwischen größer geworden ist als jedes Projekt. Und obwohl alles stimmt, und das Team alles reingesteckt hat, Geld und Geduld und Zeit, wird das dann vielleicht ein totaler Flop. Könnte sein. Nur, weil keiner mehr Julia Jentsch mehr sehen kann. Und der Regisseur würde dann vielleicht Probleme kriegen.

Der Gedanke ist ihr unerträglich. Auch damit so was nicht passiert, versucht sie, den Hype im Griff zu halten. Es ist schwierig. Aber es funktioniert irgendwie noch ganz gut.

Sie war gerade im St. Pauli Theater, Proben für "Bitterer Honig", als ein Kollege mit der Nachricht kam, Sophie Scholl sei für den Oscar nominiert. "Da fiel in die Proben plötzlich etwas rein, was da eigentlich nichts zu suchen hatte. Das Witzige war aber, dass ich in dem Moment die Ruhigste von allen war. Ich hab mich gefreut, aber ich wusste, das schiebe ich jetzt zur Seite und konzentrier' mich auf die Proben."

Die anderen hatten wohl Angst, was wird jetzt sein, jetzt denkt sie dauernd an die Nominierung und strengt sich bei den Proben nicht mehr an. "Das war für viele so ein Moment von ,O Gott, was bedeutet das jetzt?'."

Fallenlassen in Hollywood

Sie haben die Irritationen des Glücksmoments dann weggeprobt. Peter Zadek hat gesagt, das Wichtigste ist, dass die Konzentration bleibt. Zadek hat alles erlebt, aber so was kommt nicht oft vor, dass der Oscar einbricht in seine Theaterwelt. Er hat gesagt, sie soll ganz normal weitermachen. Sie wollte eh nichts anderes. Sie will nichts anderes.

Das war alles? Julia Jentsch überlegt jetzt etwas länger. Es geht immerhin um Zadek, und um den Oscar. Es geht also doch um etwas sehr Besonderes. Naja, sagt sie, doch ja. Sie wird beinahe rot hinter dem Suppentopf. "Er hat mir schon auch gratuliert."

Sie werden also da sein in der Nacht zum Montag, im Kodak Theatre, Hollywood: das Team von Sophie Scholl. Sie werden das auf sich wirken lassen, und Julia Jentsch ist gespannt darauf, wie das in echt ist, was sie immer im Fernsehen gesehen hat. Sie wird ein schönes Kleid tragen, sie könnte sich vorstellen auch so wie in der Kulisse da anzutreten, in Jeans und Pullover. Aber sie wird ein schönes Kleid tragen.

Die Fotografen werden da sein, es werden Bilder gemacht, sie wird nichts dagegen tun können. Irgendwann werden sie ihre Kategorie aufrufen, und dann wird etwas passieren, sie wird nichts dagegen tun können. Sie wird zwar bis kurz vor dem Abflug nach Amerika gespielt haben und gleich nach der Ankunft in Deutschland wieder spielen, aber der Moment wird ein besonderer sein. Sie wird sich fallen lassen, aber sie wird auch erkennen, was ihr Halt geben kann.

In Cannes hat sie es auch so gemacht. In Cannes waren sie 2004 mit den "Fetten Jahren", sie hatte an den Kammerspielen noch die "Antigone" geprobt, war dann nachmittags im Flieger und abends in Cannes. Die Leute haben getobt, sie liebten den Film. Es hatte alles etwas Rauschhaftes. Aber Julia Jentsch sah den roten Teppich, über den sie gleich gehen würde, und sie sah, dass er viel kürzer war, als sie ihn sich vorgestellt hatte. "Da war ich gleich sehr erleichtert."

Es war nur ein Detail, aber man muss diese Details sehen, damit man nicht verloren geht. In so einer Karriere.

© SZ vom 4.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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