Ortskunde:Die Kunsthaltestelle

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Wahlweise könnte man sich das Häuschen auch in Norwegen vorstellen. Der Giesinger Bahnhof ist nur ein weiterer Beweis für Münchens Vielfalt. (Foto: Giesinger Bahnhof)

Der Giesinger Bahnhof will ein breites Kulturprogramm bieten

Von Dirk Wagner

Gibt es einen passenderen Ort für ein Kulturzentrum als einen Bahnhof? Jenen Ort also, der sowohl für Ankommen steht als auch für Verreisen in andere Städte, ferne Länder und Kulturen? Wo Fernweh und Heimweh also die Fremde mit der Heimat vereinen? Das Giesinger Kulturzentrum hätte jedenfalls gar keinen passenderen Ort finden können als den über hundert Jahre alten, denkmalgeschützten Giesinger Bahnhof, der es seit dem 5. März 2004 beherbergt. Die U- und S-Bahn-Anbindung ist für den Besucher ohne Zweifel ein weiterer Komfort. Trotzdem ist das ebenfalls in Giesing ansässige Label Trikont schon bald davon abgekommen, den Veranstaltungsort zur Präsentation seiner Künstler zu nutzen. "Mir fehlte es hier einfach an Atmosphäre", sagt Eva Mair-Holmes von Trikont, die das Giesinger Kulturzentrum bei ihren dortigen Veranstaltungen als "seelenloses Gemeindezentrum" empfand.

Der Münchner Veranstalterin und Managerin Niko Strnad von Bang Bang! Concerts gefällt hingegen am Giesinger Bahnhof "die tolle Mischung aus kulturellem Anspruch und vielfältigem Programm", wie sie betont. Beides ist seit dreieinhalb Jahren der Geschäftsführerin Sara Sepehri Shakib zu danken, die das Kulturzentrum immerhin mit einem Kulturbegriff zu beseelen weiß, der Konzerte, Theatervorstellungen, Ausstellungen und Lesungen ebenso umfasst wie Diskussionen oder Workshops. So unterfüttern nächsten Donnerstag, 5. Mai, die Filme "Circumcision" des israelischen Journalisten Ari Libsker, "Hibos Lied - Weibliche Genitalverstümmelung und die Macht der Tradition" von Renate Bernhard und Sigrid Dethlof und "Hermes und Aphrodite" von Gregor Zootsky eine Podiumsdiskussion der Filmemacher mit Christoph Kupferschmid vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte zum Thema "Genitale Selbstbestimmung". Einen Tag später beweist ein Improvisationstheater, dass gute Schauspieler auch ohne Textvorlage das Erzählen von guten Geschichten. Und am 30. Mai wird sogar die Komische Oper Berlin im Giesinger Bahnhof gastieren. Über solche Kulturangebote hinaus lassen immer wieder auch Tanzkurse und Workshops die Besucher selbst aktiv werden.

"Ich kam mit einem Rucksack voller Erfahrungen aus Musik, Theater, Bildende Kunst an, und alles kam dem Haus und dem Programm zugute. Durch meine mitgebrachten Kontakte und mein Wissen konnte das Niveau angehoben werden, sodass der Giesinger Bahnhof zu den spannendsten Kulturzentren Münchens gehört", sagt Sara Sepehri Shakib selbstbewusst. Tatsächlich hatte sie zuvor schon als Regieassistentin am Prinzregententheater gearbeitet, in Produktionen der Musica Viva, des Carl Orff Instituts oder beim Bühnen- und Musikverlag Ricordi mitgewirkt und die Geschäftsstelle der Stiftung Kunstakademie München geleitet. Entsprechend weit gefächert ist allein schon ihr Konzertprogramm, das Klassik und Jazz ebenso anbietet wie Popmusik und Liedermacher.

Für Nachwuchskünstler, die noch keinen Abend alleine bestreiten können, hat sie die sogenannten Twin Sets im Programm etabliert. Zwei Bands sichern ein abwechslungsreiches Programm, das im Idealfall auch ein größeres Publikum erreicht, weil die Fans der einen Formation sich auch die andere anhören. Diesen Freitag erlebt das Publikum bei freiem Eintritt gleich fünf Gruppen im Finale des zweiten Giesinger Bandwettbewerbs. Schrill kostümiert servieren Chromantic Flash Glam-Rock. The Rejetnicks erinnern daran, dass die Kinks zu den besten Bands der Welt gehörten, und bei Lovewash gibt es ein Wiedersehen mit dem In-Palumbia-Bassisten. Die Indie-Popband The Reload Club und die Alternative-Rocker Yesbut nehmen das Publikum in den spannenden Münchner Untergrund mit, der ebenfalls im Giesinger Bahnhof eine Heimat hat.

Zweiter Giesinger Bandcontest - Finale, Freitag, 29. April, 19.30 Uhr, Giesinger Bahnhof, Giesinger Bahnhofplatz 1

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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