Originaldokument über die Bücherverbrennung:Die Sternlein verblassten

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Ein deutlich reservierter Bericht über die Bücherverbrennung erschien 1933 im Neuen Mannheimer Volksblatt. Ein Zeugnis vorsichtiger Kritik.

In Mannheim fand die Bücherverbrennung am 19. Mai statt. Am nächsten Tag las man im "Neuen Mannheimer Volksblatt" den nachstehenden Artikel. Im Meer der journalistischen Zustimmung lässt er ein Unbehagen erkennen, bemerkenswert als Zeichen letzter Möglichkeiten der Kritik. Zitiert nach: Wolfgang Strätz: Die studentische Aktion "Wider den undeutschen Geist" im Frühjahr 1933. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 1968, S. 345-372.

Wider den undeutschen Geist! Eine Kundgebung

In Deutschland lodern zurzeit wieder mal Scheiterhaufen. Sie sind gewiß gut gemeint, wie überhaupt die Scheiterhaufen jeweilen gut gemeint waren, wenn auch eine "kritische" Nachwelt sich befleißigte, nur Böses von ihnen auszusagen. - Jedenfalls hat es dem Empfinden weiter Kreise der Mannheimer Bevölkerung entsprochen, wie andernorts, so auch hier, einen Scheiterhaufen lodern zu sehen, was bei Nacht auch eine ganz schöne Sache ist und dazu harmlos, da ja nur Bücher verbrannt wurden, deren Flammentod nicht als Verlust zu beklagen ist. Allerdings: man kann durch Feuer nur die Materie der Bücher zerstören, nicht aber ihren Geist, weshalb die gestern Abend hinter der Feuerwehrkaserne stattgefundene Kundgebung, wie der Führer der Mannheimer Studentenschaft in seiner kurzen Ansprache dabei ausführte, auch nur von symbolhafter Bedeutung sein konnte.

Wie man das bei nationalsozialistischen öffentlichen Veranstaltungen bereits gewohnt ist, waren auch gestern wieder große Menschenmassen auf den Beinen. Die Straßen, die der Fackelzug passierte, waren dicht mit Menschen eingefaßt, und der Platz auf dem die Kundgebung erfolgte, hatte viele Tausende festgehalten. Stundenlang! Man mußte tatsächlich gut auf den Beinen sein, wenn man hier auszuhalten vermag, denn auch gestern gabs wieder eine große Verspätung. Halb zehn Uhr war bereits vorbei, als die Spitze des Zuges überm Neckar anlangte und nicht weit vor elf war es geworden als die Kundgebung ihr Ende gefunden hatte.

Der Einmarsch des Fackelzuges auf dem Rasenplatz dauerte nahezu dreiviertel Stunden. Es waren viele Tausende, die daran teilnahmen: Die Studentenschaft der Handelshochschule gemeinsam mit der SA, die Ingenieurschule, der DHV und verschiedene andere nationale Verbände. Etwa acht Musikkapellen marschierten mit. Am Ende fuhr ein Wagen, auf dem sich die dem Tode geweihten Bücher befanden und eine große Fahne Schwarz-Rot-Gold, die mit den Büchern dem Feuer übergeben wurde.

Nach Eintreffen der Zugspitze wurde ein Holzstoß in Brand gesetzt, der bald in mächtigen Garben zum nächtlichen Himmel empor loderte und den Platz weithin erhellte, sodaß die Sternlein, die neugierig herabschauten, etwas verblassen mußten. Nachdem alle Teilnehmer einmarschiert, sprachen in kurzen Reden der Führer der Mannheimer Studentenschaft Heinz Franz, Dr. Hans Hagenbuch für die Nationalsozialistische Partei und Dipl.-Kaufm. Karl Goebel für den D.H.V. Dann nahm noch ein weiterer Redner das Wort, der wohl außerprogrammäßig war. Die ganze Kundgebung, die zu einem schönen Bild sich gestaltete, und eindrucksvoll verlaufen ist, hätte u.E. nur noch gewinnen können, wenn diese letzte Rede nicht gehalten worden wäre. Nach Absingen des Horst-Wessel-Liedes flammte der Scheiterhaufen auf und verzehrte die Bücher, die undeutschen Geistes voll. Mit klingendem Spiel ging es dann wieder in die Stadt zurück.

© SZ vom 10.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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