ORF: Peinliche Affäre & Finanzprobleme:Die Entgeisterten

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ORF in Nöten: Ein Ex-Korrespondent äußert sich rassistisch über Obama. Obendrein droht der Rundfunkanstalt durch die Finanzkrise nun noch die Privatisierung.

Michael Frank

Sturmumtost steht das einstmals futuristische Gehäuse des Österreichischen Rundfunks (ORF) auf dem Wiener Küniglberg. Argwöhnische Beobachter sehen schon die Pleitegeier um die Antennen der mächtigen Anstalt des öffentlichen Rechts kreisen, die in Österreich trotz privater Konkurrenz noch immer eine Art Monopolstellung einnimmt. Das Haus hat Geldsorgen noch und noch. Und zugleich sieht es sich in diesen Tagen von einer peinlichen Affäre eingeholt, die ein ehemaliger Fernsehkorrespondent des Hauses angezettelt hat.

Stein des Anstoßes: Klaus Emmerichs (links) rassistische Äußerungen über den zukünftigen US-Präsidenten Barack Obama. (Foto: Foto: dpa)

David F. Girard-diCarlo, der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Österreich, fordert in einem Offenen Brief an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, sich in aller Form von rassistischen Äußerungen des früheren Auslandsberichterstatters Klaus Emmerich, 80, über den designierten US-Präsidenten Barack Obama zu distanzieren. Emmerich hatte einen Tag nach der Präsidentschaftswahl Anfang November in einer Direktübertragung unter anderem erklärt, dass er sich "nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen" wolle.

Die Amerikaner erklärte Emmerich in der TV-Diskussion "nach wie vor für Rassisten, und es muss ihnen schon sehr schlecht gehen, dass sie so eindrucksvoll . . . einen Schwarzen mit einer schwarzen, sehr gut aussehenden Frau ins Weiße Haus schicken". Laut Emmerich wäre das ungefähr so, "wie wenn der nächste Bundeskanzler in Österreich ein Türke wäre". Emmerich gestand beiläufig ein, dass es sich da um rassistische Äußerungen handele.

Offizielle Verurteilung

ORF-Sprecher Pius Strobl erklärte, der ORF habe sich von diesen Sprüchen "praktisch in der Sekunde" distanziert und entsprechende Stellungnahmen auch an führende US-Medien übermittelt: "Mehr können wir nicht tun."

In seinem Protestbrief schreibt Girard-diCarlo, er selbst "verurteile diese rassistischen Äußerungen Emmerichs aufs Heftigste. Sie sind ein Affront gegen den designierten Präsidenten und das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika." Eine offizielle Verurteilung sei schon deshalb nötig, weil 1,2 Millionen Zuschauer der Entgleisung beigewohnt hätten.

Emmerich war früher Korrespondent in den USA und in Deutschland. Seine Berichterstattung galt als mehr auf Emotionen denn auf Fakten bezogen. In konservativen Kreisen Österreichs genießt er noch immer hohes Ansehen und wird immer um seine Meinung besonders zu amerikanischen oder deutschen Belangen befragt. Als einst die US-Regierung den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim auf die sogenannte Watchlist setzte, rief er in seinem Bericht empört aus: "Denn sie wissen nicht, was sie tun!" Österreichs Öffentlichkeit behandelte die aktuelle Entgleisung eher als Kuriosum.

Spekulationen über Zukunft des ORF

Die Affäre trifft den ORF in einer Phase, in der die Spekulationen ins Kraut schießen, wie die etwa 100 Millionen Euro Defizit der Sendeanstalt allein in diesem Jahr zu bewältigen und die Verschuldung einzudämmen sei.

Der ORF erhält sich weit mehr als die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender aus Werbung: Diese Einkommen minimieren sich durch die Finanzkrise, der ebenfalls geschuldet ist, dass Ersparnisse von 400 Millionen Euro plötzlich keine nennenswerten Zinserträge mehr abwerfen.

Die Finanzkrise des Senders spielt sogar in die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Wien hinein: Der ORF verlangt, dass ihm Gebührenerlässe für sozial schlecht gestellt Gruppen im Lande aus öffentlichen Haushalten ersetzt werden. Der politische Wille dazu ist eher gering.

Nicht durchdacht

Wild spekuliert wird inzwischen über Varianten der Privatisierung. Das erste Fernsehprogramm, so wird schon lange in Fachkreise kolportiert, könnte zumindest teilweise an private Geldgeber verkauft werden. Das könnten Geschäftsunternehmen der Medienbranche sein, aber auch Institutionen der Sozialpartner, um wenigstens Reste des öffentlich-rechtlichen Status aufrechtzuerhalten.

Aus dem Stiftungsrat, der die Funktion eines Aufsichtsrates hat, ist auch eine neue Variante zu hören: Warum nicht die neun Landesstudios der Sendeanstalt veräußern. Gedacht wäre da an eine halb private, halb öffentliche Lösung: Demnach könnten die Landessender zu einem Teil an die Länderregierungen, zum anderen an regionale Medienunternehmer verkauft werden. So solle gewährleistet werden, dass die Programme dem öffentlichen Informationsauftrag weiter gerecht werden.

Wirklich durchdachte Modelle gibt es bislang nirgendwo zu erfragen. Panik herrscht dennoch in so mancher Redaktion, da viel am Arbeitsstil geändert werden soll. So denkt man etwa beim Fernsehen daran, sogenannte Video-Redakteure einzusetzen. Dabei bewältigt der Berichterstatter selbst auch die gesamte Technik, ohne noch irgendeinen Assistenten oder Helfer.

© SZ vom 18.11.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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