Opernpremiere in Augsburg:Naive Hartnäckigkeit

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Am Ende begehrt: Nemorino (Ji-Woon Ki) avanciert zum Frauenheld. (Foto: A.T. Schäfer)

Donizettis "Liebestrank" im Cinema-Paradiso-Look

Von Rita Argauer, Augsburg

Eine Opernhandlung in eine andere, meist ikonische, Zeit verlagern, ist derzeit ausgesprochen angesagt. So stolzierte etwa Lucia di Lammermoor an der Bayerischen Staatsoper durch ein nobles US-amerikanisches Sechzigerjahre-Ambiente, während Riccardo im "Maskenball" in den Zwanzigerjahren herrschte. Aron Stiehls Neuinszenierung von Gaetano Donizettis "Der Liebestrank" am Theater Augsburg schwelgt kokett in den Fünfzigerjahren in Italien. Man wähnt sich zur Hochphase der Cinecittà Rom, der Bühnenraum ist durch die stilisierte Perforation von Filmstreifen begrenzt.

Bei dieser Art der Zeitreisen stellt sich aber auch manchmal die Frage, was sie denn mehr sind als ein anheimelndes Dekor. Doch bei Donizettis "Liebestrank" reicht dieser verträumte Cinema-Paradiso-Look angesichts der bevorstehenden Generalsanierung des Theaters auch ein wenig in die reale Gegenwart. Immerhin läuft man durch den originalen Fünfzigerjahre-Innenausbau des Theaters, bevor sich der Vorhang hebt und sich auch Donizettis leichte, unterhaltende und latent kokette Musik erstaunlich rund in diese Zeit einfügt. Der "Liebestrank" bezieht sich auf den Tristan-Stoff. Allerdings entstand diese Oper 30 Jahre vor Wagners ikonischer Auflösungsfantasie, die Düsterkeit der unglücklichen Liebe ist hier verpackt in heitere Melodien, eine klare Formsprache und ein Happy End. Der unglückliche Nemorino (Ji-Woon Kim) versucht per Liebestrank seine Angebetete Adina (Mária Celeng) aus der Verlobung mit dem Lackaffen Belcore (Giulio Alvise Caselli) zu lösen. Der Plan geht auf - nicht ohne ein paar Umwege - am Ende sind sie glücklich vereint.

Lancelot Fuhry dirigiert die Augsburger Philharmoniker dazu passend mit dem Charakter eines Unterhaltungsorchesters an der Riviera, wenn auch in den Tutti-Passagen manchmal etwas zu laut für die Stimmen. Und Celeng gibt in starkem, aber nie ins Schrille kippendem Sopran eine wunderbar selbstbewusste Verführerin, während Kim sich vom nerdigen Vespa-Schrauber zum latent intriganten, etwas schadenfrohen und dann doch donnernd liebenden Bräutigam wandelt.

Und so verabschiedet diese vorletzte Premiere im Großen Haus des Theaters, angesichts der Zweifel, die an der Notwendigkeit einer teuren Sanierung aufkamen, mit dem richtigen Gefühl: Nicht nur durch die zeitästhetische Parallele des Bauwerks - auch die naive Hartnäckigkeit, mit der Nemorino um sein Glück kämpft, ist etwas, das das Theater mitnehmen kann, wenn es ab der kommenden Spielzeit auf Bühnen-Wanderschaft sein wird.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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