Opern für alle:Im Mondschein

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Auf den Max-Joseph-Platz wird in diesem Jahr der "Tannhäuser" übertragen. Romeo Castelluci bringt Wagners Werk in einer Inszenierung auf die Bühne, an der sich die Geister scheiden.

Von Rita Argauer und Egbert Tholl

Die Emotion ins Ziel gefasst: Eine prächtig weit gefächerte Gefühlspalette bietet Kirill Petrenkos Dirigat von Wagners "Tannhäuser". (Foto: Wilfried Hösl)

Dieses Jahr warten die Opernfestspiele mit ein paar Herausforderungen auf. Das beginnt mit den Projekten der Festspielwerkstatt und zieht sich über die Festspielpremiere von Franz Schrekers "Die Gezeichneten" bis hin zu "Oper für alle". Wie, das schönste Hochkultur-Picknick, das München zu bieten hat, ist eine Herausforderung? Ja, denn am Sonntag, 9. Juli wird auf den Max-Joseph-Platz die Aufführung von Richard Wagners "Tannhäuser" übertragen. Und zwar in der Inszenierung von Romeo Castellucci.

Wenn Christian Gerhaher den "Abendstern" singt, dürften schon die Sterne zu sehen sein

Nun gut, "Tannhäuser" kennt jeder, und in die Geschichte, die vom Sänger zwischen zwei Welten handelt, hat Wagner seine eingängigsten "Nummern" gepackt. Wenn Christian Gerhaher den "Abendstern" singt, dürften die Sterne schon zu sehen sein, dank des späteren Beginns der Aufführung an diesem Tag (nicht 16, sondern 18 Uhr). Das verspricht das reine Glück zu werden. Aber: Man muss genau hinhören, denn Gerhahers Kunst ist subtil, jede Silbe wird zu einem eigenen Erlebnis. Auf Überwältigung zielt sein Vortrag nicht.

Auch Kirill Petrenkos Dirigat dürfte eine Herausforderung für die Tonanlage sein, so vielgestaltig im Leisen ist es, so präzis im Mischen der Farben einer riesigen Gefühlspalette. Es wird ein ganz großes Musikfest, und für Manche ist ja auch Klaus Florian Vogt als Tannhäuser die reine Freude, Anja Harteros, Georg Zeppenfeld und der Chor sind eh phänomenal.

Der Mut fürs Spektakel liegt im Szenischen. Castelluccis Inszenierung scheidet die Geister. Sie ist etwas, was einem im Opernbetrieb sehr selten begegnet: ein Kunstwerk für sich. Normalerweise nimmt sich ein Regisseur eine mehr oder weniger alte Oper und erarbeitet ein Konzept, wie das alte Stück heute für uns noch etwas erzählen kann, über seine Musik hinaus. Einen solchen Ansatz hat Castellucci weit hinter sich gelassen. Sein "Tannhäuser" ist eine unmittelbar aus dem intensiven Erleben der Musik entstandene Bildfantasie über das Menschsein und dessen Abgründe. Es ist, als betrachte man ein Bild moderner Kunst. Entweder es rührt einen an, dann ist man machtlos begeistert. Oder man schaut ratlos drauf, und nichts passiert. Zugegeben: Viele Kollegen wurden wohl eher von der Ratlosigkeit gebeutelt. Aber man muss die Inszenierung annehmen wie ein Geschenk, mit all ihrer Schönheit, ihrem Schmerz. Und ihrem sehr eigenwilligen Witz.

Wenn Wagners Tannhäuser so nun also einen sehr zeitgenössischen Blick in der Inszenierung bekommen hat, braucht man in der Festspiel-Werkstatt auch ein Herz für den zeitgenössischen Klang. Als Ort für diese Werkstatt erkor man diesmal den Postpalast und schon das erscheint passend. Der Vorhoelzer-Bau an der Deroystraße schwankt zwischen kühler Moderne und einem Hauch von Überwältigung. Wenn das Programm dort mit Mark-Anthony Turnages "Greek" eröffnet wird, befindet man sich also in einem ähnlichen Spannungsfeld. Das Werk, das 1988 bei der Münchner Biennale uraufgeführt wurde, vermischt - ganz dem postmodernen Eklektizismus dieser Zeit entsprechend - verschiedene Musikstile des 20. Jahrhundert. Doch die Geschichte, die mit diesen Mitteln erzählt wird, ist alt: Turnage schrieb diese Oper nach Steven Berkoffs gleichnamigem Theaterstück. Dieser wiederum verarbeitet darin den Mythos um Ödipus und vermischt die griechische Antike mit einem sozialen Brennpunkt in London als Schauplatz. Nun wirft 30 Jahre nach der Uraufführung unter der musikalischen Leitung von Oksana Lyniv das junge Regie-Team um Wolfgang Nägele und Franziska Boos erneut einen gegenwärtigen Blick auf die Geschichte.

Die zweite große Produktion der Festspiel-Werkstatt enthebt sich dann dem herkömmlichen Prinzip ein bereits vorhandenes Stück neu zu inszenieren. Das Agora-Musiktheaterkollektiv stellt sich in der Uraufführung des Stücks "Catarsi" bewusst gegen die Werktreue. Schon über die gesamte Spielzeit hinweg haben die Künstler unter dem Titel "Prozessor I-III" an der Bayerischen Staatsoper alternative Rezeptionsmodelle und Blickwinkel zu Beethovens "Fidelio" angeboten. Das multimediale Stück "Catarsi" baut auf diesen Untersuchungen auf. Im Arrangement und unter der musikalischen Leitung von Benedikt Brachtel sollen die Zuschauer dann sowohl virtuell als auch ganz real durch Leonores und Florestans Welten wandern können.

Oper für alle: Tannhäuser , Sonntag, 9. Juli, 18 Uhr, Max-Joseph-Platz

Greek , Mo./Di., 26./27. Juni, und Mo./Di., 3./4. Juli, je 20.30 Uhr

Catarsi , Mi./Do., 28./29. Juni, und Sa./So., 1./2. Juli, je 20.30 Uhr, Postpalast, Wredestraße 10

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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