Oper light:Parsifal in der Kurzfilmfassung

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Von Anke Sterneborg

Leuchtend rot quillt das Blut durch den weißen Schleier aus dem Mund. Malerisch räkeln sich dekorativ verschnürte Menschenschemen durchs Bild. Mit Blattgold geschminkt ist der Leichnam des Grals-Patriarchen auf einem Blumenbett drapiert. Parsifal tritt im aparten Feder-Lumpen-Look auf und liefert sich eine martialische Blutschlammschlacht: Schlaglichtartig flackern die Motive auf, denn es gilt, viereinhalb Stunden Wagner-Oper in zehn Minuten Kurzfilm einzudampfen.

Die eindrucksvolle Besetzungsliste verdeutlicht, worum es hier gehen soll. Schauspieler der Hochkultur von Berliner Ensemble, Schaubühne, Volksbühne und Burgtheater agieren neben den Undergroundstars der Berliner Clubszene, Volker Spengler, Alexander Scheer und Jasna Fritzi Bauer neben der Elektro-Performerin Peaches, DJane Nina Kravitz, Berghain-Türsteher Sven Marquardt und Körperkunst-Ikone Veruschka. Einen Brückenschlag sollen sie schaffen, die Jugend soll mit einem Kurzfilm an die Oper herangeführt werden.

Angestiftet wurde das ehrgeizige Projekt vom Autobauer Audi, der seit 2009 Hauptsponsor der Bayreuther Festspiele ist und sich nicht mehr darauf beschränken will, die VIP-Limousinen bereit zu stellen. Als Verbündeten hat sich das Audi Zeitgeist-Programm das Berliner Kunstkollektiv Like a Wild Beast's Fur geholt, das seit 2014 eine gewisse Übung mit derartig hybriden Kunstformen an der "Schnittstelle von Theater und Techno" hat. Kollektiv-Gründer Nicholas Mockridge fungierte als Regisseur und nutzte seine Verbindungen zum Technoclub Berghain, der aber als Drehort nicht mehr offiziell genannt werden darf. Immerhin verkörpert Türsteher und Szenestar Sven Marquardt das Gralsmotiv mit seiner imposanten Erscheinung. Komponist Moritz von Oswald (ehemals Schlagzeuger der Band Palais Schaumburg) hat Wagners musikalische Motive in Einzelteile zerlegt und zu einem wummernden Techno Beat zusammengesetzt.

Von der grünen Wiese zum schwarzen Berg, mit imposanten Lichtdomen und finsteren Technokathedralen als Bühnen für martialisch exerzierende Tänzer, malerisch wehende Stoffbahnen und wabernde Nebel. Eine Augenklappe aus schwarzer Spitze im Alabastergesicht, ein Feder-Wimpernkranz um mysteriöse Augen und die markante, haarlose Erscheinung des isländischen Schauspielers Tómas Lemarquis: Wagners Parsifal ist in "Black Mountain" auf bildgewaltige Chiffren kondensiert, die in ihrer wuchtigen Perfektion der Werbung näher sind als der Oper, so wie auch die Schauspieler eher posieren als spielen.

Als zehnminütiges Techno-Appetithäppchen entspricht Wagners Parsifal dem kurzatmigen Lebensrhythmus und der reduzierten Aufmerksamkeitsspanne jüngerer Generationen. Ob sie sich damit aber langfristig zum Opernbesuch verführen lassen, sei dahingestellt.

Bayreuther Festspiele eröffnen am 25. Juli mit Parsifal in Vier-Stunden-Plus-Fassung; der Kurzfilm unter www.audi-city.com/berlin/blackmountain/

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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